SPD stülpt sich den Blauhelm über

Nach einer heftigen Debatte stimmte gestern der SPD-Parteitag dem Einsatz von Bundeswehrsoldaten bei UNO-Blauhelmaktionen und einer Grundgesetzänderung zu/ 179 Delegierte stimmten dagegen  ■ Von Tina Stadlmayer

Bremen (taz) — „Eine überwältigende Mehrheit, na ja, eine eindeutige“ korrigierte sich der Versammlungsleiter. Mit 230 zu 179 Stimmen votierten die SozialdemokratInnen auf ihrem Parteitag für eine Grundgesetzänderung zugunsten einer Beteiligung Deutscher an UNO-Blauhelm-Aktionen. In der ernsthaften und engagierten Debatte verwahrte sich Hans-Jochen Vogel gegen den Vorwurf vieler Journalisten, seine Partei streite über ein Randthema.

In einer insgesamt dreistündigen Debatte zum Thema prallten die Argumente der Gegner und der Befürworter einer Grundgesetzänderung aufeinander. Auf beiden Seiten überwog zunächst die taktische, nicht die politische Argumentation. Die Befürworter einer Änderung in der Verfassung, Engholm und Lafontaine sagten: Ohne eine klare Festlegung im Grundgesetz — „Kein Einsatz von Waffengewalt außer zur Selbstverteidigung“ — bestehe die Gefahr, daß die Regierung Bundeswehrsoldaten auch zum Kämpfen in die Welt schicke. Anders die Gegner einer Öffnung des Grundgesetzes: Eine solche Änderung werde es nie geben, da die CDU keine Beschränkung auf Blauhelme wolle. Deshalb ändere auch ein Parteitagsbeschluß für die Präzisierung in der Verfassung nichts an der Gefahr eines deutschen Militäreinsatzes. Im Gegenteil: Wenn im Parlament erst einmal über eine Öffnung des Grundgesetzes geredet werde, sei die Gefahr groß, daß sich die CDU durchsetze.

Der Vorsitzende Björn Engholm wies den Verdacht zurück, einige SPD-Abgeordnete könnten sich nicht an den Parteitagsbeschluß halten, sich auf ihr Gewissen berufen und im Bundestag doch mit der CDU für eine Verfassungsänderung zugunsten militärischer Einsätze stimmen. Auch wer eine Öffnung des Grundgesetzes für kämpfende Einsätze wolle — zum Beispiel Norbert Gansel, Hans-Ulrich Klose und Hans Jochen Vogel —, sei an den Beschluß gebunden. Engholm drohte: „Wer es wagt, von diesen Beschlüssen abzuweichen, ist politisch tot“. Oskar Lafontaine begründete zu Beginn der Debatte, warum er seit drei Tagen nun doch für eine Grundgesetzänderung ist: „Ich habe mich überzeugen lassen, daß dies eine Verbesserung der gegenwärtigen Lage darstellt.“ Egon Bahr plädierte nicht nur für zivile, sondern auch für militärische Einsätze. Trotzdem versprach er, dem Kompromiß-Vorschlag des Vorstandes zuzustimmen. Norbert Gansel drückte auf die Tränendrüse: Seine „Gefühle seien verletzt“, wenn ihm, der er „jahrelang gegen den Rüstungsexport gekämpft“ habe, nun unterstellt werde, er wolle unbedingt weltweite militärische Bundeswehreinsätze. Er könne sich eben Situationen vorstellen, in denen auch deutsche Soldaten im Rahmen der UNO kämpfen sollten. Heidi Wieczorek-Zeul widersprach ihm heftig: Deutsche Soldaten dürften nicht außerhalb der Nato eingesetzt werden, auch nicht als sogenannte Friedenstruppen. Sie sei stolz auf die Männer, „die während des Golfkrieges ihre Angst vor dem Tod zugaben, und damit auch die Angst vor dem Töten“.

Thomas Krüger, ein Delegierter aus dem Osten, wandte sich gegen vorgeblich friedenserhaltende Einsätze. Schon einmal habe er auf dem „Marschgepäck nach Ungarn“ gesessen: „Auch dort sollte angeblich der Friede gesichert werden.“ Auch der Juso-Vorsitzende Ralf Ludwig sprach gegen die Grundgesetzänderung. Eine Beteiligung deutscher Soldaten sei nicht nur auf den Golanhöhen problematisch, „sondern an jedem Ort auf der Welt“. Blauhelme seien Teil einer militärischen Logik, sie könnten Konflikte nicht lösen.

Der Parteilinke Albrecht Müller sagte: „Wenn wir jetzt für die Grundgesetzänderung stimmen, wird der Druck von außen nicht nachlassen.“ Die öffentliche Meinung dränge die SPD dazu, auch militärische Einsätze zuzulassen. Oskar Lafontaine versuchte seine Befürchtung zu zerstreuen: „Das ist mit mir nicht zu machen. Da werde ich beinhart sein.“

So beinhart wie in der Frage der Grundgesetzänderung?