Gruner+Jahr will noch eine Ost-Zeitung fressen

Berlin (taz) — Mit hohem Kapitalaufwand hat der Zeitschriftenkonzern Gruner+Jahr (G+J) im zurückliegenden Geschäftsjahr versucht, in der Ex-DDR als Zeitungsverleger einzusteigen. Bei der Bilanzvorlage des zum Bertelsmann- Konzerns gehörenden Verlags erklärte gestern Vorstandsmitglied Schulte-Hillen, vor allem durch „Anlaufverluste“ in Ostdeutschland sei der Überschuß im Geschäftsjahr 1990/91 um rund 50 auf 215 Millionen Mark gesunken.

Nach der gemeinsam mit Maxwell getätigten Übernahme des Berliner Verlags mit den Tagesblättern 'Berliner Zeitung‘ und 'Kurier‘ sowie einigen Zeitschriften strebt das Unternehmen jetzt in Dresden eine Beteiligung von 100 Prozent an der 'Sächsischen Zeitung‘ an. Mitte April war diese Zeitung von der Treuhand zu 51 Prozent an G+J und 49 Prozent gemeinsam an die Düsseldorfer 'Rheinische Post‘ und Giradet vergeben worden. Mittlerweile hat auch die SPD Besitzansprüche an das auflagenstarke Blatt erhoben, weil es vor 1933 ihr gehört haben soll, Nach Auskunft der Treuhand ging gestern ein Brief an die Präsidentin der Berliner Anstalt ein, in dem die Düsseldorfer erklären, sie seien mit den 49 Prozent nicht einverstanden und behielten sich vor, gerichtlich gegen die Treuhand vorzugehen.

Wie die Treuhandanstalt unterdessen gestern bekanntgab, haben sich jetzt auch noch Schwierigkeiten mit der Privatisierung der 'Ostthüringer Nachrichten‘ in Gera ergeben. Ursprünglich hatte sich die 'Westdeutsche Allgemeine Zeitung‘ (WAZ) für eine Übernahme dieses Blatts interessiert, war aber an Bedenken des Kartellamtes gescheitert. Mittlerweile wurde von der Treuhand erwogen, die Zeitung an die Mitarbeiter im Rahmen eines Management-Buy-out-Modells zu übergeben, um Mitte Juni dann allerdings plötzlich zu erfahren, daß ein erheblicher Teil der Belegschaft im Hinblick auf eine vor Ort neuzugründende Zeitung gekündigt hatte. Dieses neue Blatt soll eine WAZ-Gründung sein. Barbara Geier