Georgiens „Duce“ sammelt sein Volk

Präsident Gamsachurdia appelliert an die Georgier und lehnt Gespräche mit Opposition ab/ Nationalgardeführer besetzt TV-Station in Tbilissi/ Oppositioneller stirbt an Selbstverbrennung  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Georgiens Präsident Swiad Gamsachurdia bleibt trotz der zunehmenden Gewalttätigkeiten in den Straßen Tbilissis unnachgiebig. Gespräche mit der Opposition lehnt er ab. Stattdessen richtete er gestern einen erneuten Appell an das Volk, den Regierungssitz auf dem Rustaweli- Boulevard gegen die Opposition zu verteidigen.

„Ich rufe Sie zum Regierungssitz, ich rufe Sie zum Regierungssitz“, wiederholte er mehrfach. Präfekten der Regierungsbezirke Georgiens, die sich in der Hauptstadt aufhalten, sollen sich ebenfalls einfinden. Es wird nicht ausgeschlossen, daß diese frischen Kräfte in der Provinz rekrutieren sollen, in der es bisher zu keinen nennenswerten Demonstrationen gegen das Gamsachurdia-Regime gekommen ist. Die Präfekten sind ausschließlich Statthalter des georgischen „Duce“, die er nach seinem Wahlsieg handverlesen hat.

Als Begründung für seine starre Haltung hielt sich der Präsident strikt an seine gebräuchlichen Begründungsmuster: Schon vor dem Putschversuch in Moskau hätte man einen Putsch gegen ihn geplant. Hintermänner dieser Aktion seien der ehemalige Premier Tengis Schigua und Tengis Kitovany gewesen, einst Kommandeur der 12.000 köpfigen Nationalgarde, der sich nach dem brutalen Vorgehen gegen Demonstranten am 2. September mit 3.000 Nationalgardisten der Opposition anschloß.

In der Nacht zum Sonntag war es in Tbilissi zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gamsachurdia-Anhängern, die aus der Provinz mit Bussen herangekarrt worden waren, und Tausenden Oppositioneller gekommen. 40 Menschen, vornehmlich Oppositionelle, wurden verletzt. Viele verließen das Krankenhaus aus Angst vor Repressionen auf eigene Faust. Ein Oppositioneller, der sich am Samstag aus Protest gegen die Regierung selbst in Brand gesetzt hatte, erlag inzwischen seinen Verletzungen.

Vorerst kann der Präsident aber keine landesweiten Kampfaufrufe mehr verkünden. Denn in einem Handstreich nahm Tengis Schigua mit zweihundert „desertierten“ Nationalgardisten am Samstagabend das Fernsehzentrum ein. Das Büro der sowjetischen Agentur 'Tass‘ wurde besetzt, der Empfang des russischsprachigen Fernsehens soll unterbrochen sein. Gamsachurdia- treue Miliztruppen besetzten indes das Büro der größten oppositionellen Organisation, der Nationaldemokratischen Partei.

Neben den „Verrätern“ aus den eigenen Reihen beschuldigte Gamsachurdia die russischen Demokraten und „andere Chauvinisten“ an der Gewalt. Trotz seiner unhaltbaren Anschuldigungen genießt Georgiens Duce bei der Mehrheit der Georgier noch genügend Vertrauen.