Abgeschoben, aufgewärmt

■ Die Kulissen wackeln: »Don Giovanni« in der Bismarckstraße

Liebe Freunde, schwer drückt uns die Sorge! Der Schrumpf geht um in der Opernstadt Berlin. Auf das große Hallo der letzten Saison folgen jetzt die kleinen Halalis. Unsere drei schönen Opernhäuser, die doch gerade so heldenhaft die Ärmel hochgekrempelt hatten für den Kampf um Ruhm, Kunst und Geld, wickeln sich nun in aller Stille wie von selbst ab.

Erstens an der Komischen Oper die in höchsten Tönen angekündigte Uraufführung des neuesten Katzer- Werks: Aufgeschoben. Dem Counter-Star Kowalski hatte es kurzfristig die unersetzliche Stimme verschlagen, und dem mutigen Vorbild der Kollegin Berghaus, die vor Jahren einmal persönlich auf die Bühne sprang, um als Ersatz-Lulu eine Lulu-Premiere zu retten, mochte Regisseur Kupfer auch nicht folgen.

Zweitens an der Lindenoper die für Ende November angesetzte Afrikanerin von Meyerbeer: abgeschoben. Es soll, so wird gemunkelt, nur reichen zu einer konzertanten Aufführung, da sich der Regisseur aus dem Staube machte — und da die Verwaltung des Hauses ja neuerdings etwas teurer geworden ist, reicht's auch nicht mehr für einen Ersatzmann.

Drittens: die Deutsche Oper in der Bismarckstraße. Da droht der von Sparmaßnahmen gebeutelte Intendant schon seit längerem, den Betrieb überhaupt einzustellen. Jetzt gab es statt der geplanten spektakulären Wilson-Inszenierung zum Trost eine alte, seit bald zwei Dekaden bewährte Version des Don Giovanni zu sehen: die Noelte-Inszenierung aus dem Jahre 1973 — wieder aufgewärmt.

Liebe Freunde der Oper, wir sind untröstlich, wir sind gründlich gewarnt. Die Pappkulissen wackeln, die Sänger stehen an der Rampe und machen ihre Hausaufgaben, das Orchester nudelt lustlos vor sich hin. Zugegeben: Diese gute alte Inszenierung vom guten alten Noelte, mit den honigfarben abgedunkelten Standbildern, den pittoresken Kostümen und der geradezu klassisch statischen Symmetrie der Personenführung, die war gar nicht so schlecht — damals im Jahre 1973. Zugegeben auch: Es gibt sowieso keinen idealen Don Giovanni. Auch die schönste Aufführung kann ja stets nur eine Annäherung sein an das Ideal dieser Opern aller Opern.

Aber wenn man aus Not oder Unvermögen so meilenweit entfernt bleiben muß von dem, was das Stück uns soll: Wenn uns Donna Anna nicht das Herz zerreißen und Don Giovanni uns keine Gänsehaut machen kann; wenn die Donna Elvira uns nicht platt an die Wand und Leporello glatt unter den Tisch singt — dann wäre es doch besser, man ließe es ganz und gar. Daß die kleine Zerlina (Patricia Pace) als einzige ihre Rolle ausfüllte, muß freilich auch noch gesagt werden. Elisabeth Eleonore Bauer