Komm zurück, Kommune!

■ Über die Chancen des Wendekommunismus in den ehemals sozialistischen Ländern

Komm zurück, Kommune! Über die Chancen des Wendekommunismus in den ehemals sozialistischen Ländern

Wróc Komuno, Kehr zurück Kommune — mit dieser ironischen Aufforderung wird in Polen nicht auf die Pariser Kommunarden angespielt, sondern auf die Erfolge der Wende- Kommunisten bei Wahlen in Ost und Südosteuropa. Weit davon entfernt, von der politischen Bildfläche zu verschwinden, erreichen die frischgebackenen Sozialisten Polens, Ungarns und der CSFR Stimmenergebnisse zwischen 10 und 15 Prozent. Nicht nur die alten Nomenklaturisten wählen sie, sondern auch die Arbeiter strukturschwacher Großbetriebe, die verunsicherten Beschäftigten der LPGs und der staatlichen Agrarbetriebe. Aber sie sind in ihrer Klientel eingemauert. Der um sich greifende Überdruß an der demokratischen Regierungsform wendet sich eher den rechtspopulistischen Demagogen zu.

Ganz anders die Situation in Südosteuropa. In Rumänien und Serbien behaupteten sich die Kommunisten, erfolgreich zu Verteidigern der Nation mutiert, an der Macht. In Bulgarien ist ihre Massenbasis ungefährdet. Letztes Wochenende schließlich haben die Neu-Sozialisten bei den Kommunalwahlen in Albanien den Erdrutschsieg der Demokratischen Partei vom Frühjahr dieses Jahres korrigiert. Die Sozialistische Partei profitierte einfach von der grenzenlosen Enttäuschung einer Wählerschaft, die wenige Monate zuvor mit ebenso grenzenloser, fast religiöser Inbrunst dem Glauben angehangen hatte, der Übergang zur Marktwirtschaft werde zwar schmerzhaft sein, aber rasch Erfolge zeitigen.

Eine Ursache für den ungebrochenen Einfluß der alten Machteliten auf dem Balkan liegt in der Instabilität der neuen demokratischen Parteien und ihrer Koalitionen. Den demokratischen Revolutionären der ersten Stunde fehlte es an politischer Erfahrung. Sie wurden schon nach kurzer Zeit von Gruppierungen — sei's ausgegrenzt, sei's vereinnamt —, deren geistiges Inventar aus den abgezehrten Formeln der Zwischenkriegszeit stammt. Der ursprüngliche Impetus, mitzuhelfen an der Geburt einer vielfältigen und kräftigen politischen Kultur, verkümmerte rasch.

Aber kann denn die civil society in einem Milieu der Massenarmut, des Zerfalls sozialer Bindungen, der um sich greifenden Gesetzlosigkeit gedeihen? Wenn in Belgrad einzig die Vreme für den unabhängigen Journalismus steht, wer soll sich dann die Verstaatlichung des Politika-Zeitungskonzerns widersetzen? Nicht zufällig lief der Kampf um die Politika mit dem Versuch des russischen Obersten Sowjet parallel, sich die Iswestja unter den Nagel zu reißen. Wo es an Grundstrukturen der bürgerlichen Gesellschaft fehlt, wird die Luft auch dünn für demokratische Verbände, für unabhängige Gewerkschaften, für eine frei agierende Presse. Das im ehemaligen „Ostblock“ umlaufende Schlagwort von der „Rekommunisierung“ ist deshalb verfehlt. Nicht die „Kommune“, sprich das realsozialistische Herrschaftssystem, droht aufs neue, sondern die Verstaatlichung der Gesellschaft unter der Flagge einer hybriden Ideologie. Christian Semler