Abgang des Erlanger Fötus; tote Mutter abgeschaltet

■ Ethisch umstrittenes Experiment zu Ende

Erlangen/Berlin (taz) – Das Experiment mit dem im Körper einer toten Frau heranwachsenden Fötus in Erlangen ist beendet. In der Nacht zum Montag trat bei der Frau eine für die Ärzte überraschende Fehlgeburt ein. Daraufhin schalteten die Ärzte auch die künstliche Beatmung des 18jährigen Mutterkörpers ab. Das Pflegepersonal habe nach dem Tod des Kindes keine Motivation zur Weiterbeatmung mehr gesehen, hieß es in der Klinik. Der Hirntod der Frau war bereits am 8. Oktober festgestellt worden.

Die Ursache des Spontanabortes bedürfe einer Klärung, so die an dem umstrittenen Experiment beteiligten Ärzte der Universitätsklinik Erlangen. Die Eltern hätten jedoch eine Obduktion der Mutter und des viereinhalb Monate alten Fötus abgelehnt, hieß es bedauernd.

Das Ungeborene hatte sich vierzig Tage lang im Körper der toten Mutter weiterentwickelt.

Die Frau war am 8. Oktober nach einem Autounfall in die Erlanger Universitätsklinik eingeliefert worden. Ein männliches Medizinergremium traf die Entscheidung, die Körperfunktionen der Schwangeren bis zur Geburt des Kindes aufrechtzuerhalten. Die Eltern der 18jährigen Frau wurden von einem Gericht mit deren Einverständnis zu Pflegern des Ungeborenen bestellt. Das Experiment mit dem „lebenden Brutkasten“ war auf scharfe Proteste gestoßen. Professor Würmeling von der Ethikkommission der Uniklinik Erlangen bedauerte den Abgang des Kindes. Es sei aber eines der Risiken, von denen man gewußt habe, erklärte er gestern. Es habe keine Möglichkeit gegeben, die Fehlgeburt zu verhindern. Würmeling erklärte aber, er würde auch ein zweites Mal so handeln wie beim Fall der hirntoten schwangeren Frau.

In einer ersten Reaktion meinte Sylvia Groth vom Feministischen Gesundheitszentrum Berlin zur taz, daß die Fakten, die durch das Experiment geschaffen worden seien, nicht vom Tisch sind: „Die exemplarische Umdefinition von Leben und Tod durch die Medizin geht weiter.“ Sie forderte alle Frauen zu einem Boykott der Erlanger Universitätsklinik auf.

„Für diese Art von Tod gibt es keine Worte“, meinte Erika Feyerabend von Essener Gen-Archiv zur taz. „Das ,Experiment‘ ist diesmal ,mißglückt‘. Aber es ist wiederholbar. Was bleibt ist, daß es der Medizin erlaubt wurde, die traditionellen Grenzen – Leben und Tod – zu überschreiten.“ tast/klh

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