Der internationale Wind dreht sich gegen Serbien

■ Die Rufe nach militärischer Intervention in Bosnien werden immer lauter

Berlin (taz) – Angesichts des Völkermords und der Massenvergewaltigungen durch serbische Freischärler und Soldaten ist die internationale Debatte über Gegenmaßnahmen endlich in Gang gekommen. Sowohl in der EG wie auch in den USA mehren sich Stimmen, die sich für eine härtere Gangart gegenüber Serbien aussprechen. Jedoch scheint der Vorschlag, mittels einer Militärintervention die verzweifelte Lage der Bewohner Sarajevos und der Bevölkerung Zentralbosniens zu verbessern, noch nicht mehrheitsfähig zu sein. Immerhin beschloß der UNO-Sicherheitsrat am Samstag zum ersten Mal in der Geschichte der UNO, Präventivmaßnahmen. 800 Blauhelme sollen in die Republik Mazedonien einrücken, um ein Übergreifen der Kämpfe auf Mazedonien und auf den Kosovo zu verhindern.

In altbewährter Manier schieben sich die Mächtigen der Welt die Verantwortung gegenseitig zu. Außenminister Kinkel, der der deutschen Position treu blieb, sich nach der Anerkennung Kroatiens auf dem Balkan möglichst zurückzuhalten, erklärte in Edinburgh lediglich, weder die EG noch die UNO oder die USA hätten das Problem bisher in den Griff bekommen. Der bisher proserbisch agierende amerikanische Außenminister Eagleburger – dem ja mit dem restjugoslawischen Premier Panić nicht nur politische sondern auch geschäftliche Verbindungen nachgesagt werden – machte dagegen als Hauptblockierer einer Militäraktion Großbritannien und Frankreich aus. Die USA wären bereit, so Eagleburger, sich für eine militärische Durchsetzung des Flugverbots einzusetzen, das vom Sicherheitsrat schon längst ausgesprochen, jedoch bisher von der serbischen Luftwaffe nicht eingehalten wurde. Die USA seien zudem bereit, das über das ganze ehemalige Jugoslawien verhängte Waffenembargo für Restbosnien aufzuheben. Dies entspricht immerhin einer Forderung der bosnischen Regierung, die erst kürzlich vom bosnischen Außenminister Silajić wiederholt wurde. Es sei in der Tat nicht einzusehen, daß die Verteidiger sich dem Trommelfeuer der waffentechnisch weit überlegenen serbischen Okkupationsarmee ausgesetzt sehen müssen, nur weil ein Waffenembargo ausgesprochen wurde. Dieses nützte nur den serbischen Aggressoren. Auch der künftige US-Präsident Bill Clinton erklärte am Freitag, es gebe Möglichkeiten, unterhalb der Schwelle der direkten Militärintervention den bosnischen Muslimanen zu helfen. Unterdessen widersprach Frankreich dem Vorwurf Eagleburgers. Präsident Mitterrand will dem Sicherheitsrat der UNO vorschlagen lassen, das Flugverbot „notfalls mit Gewalt“ durchzusetzen.

Angesichts der Informationen über massenhafte Vergewaltigungen von Frauen will die EG lediglich eine Kommission bilden, um die Vorwürfe an Ort und Stelle zu prüfen. In einer gemeinsamen Erklärung jedoch wurde der Ton verschärft. Nach den gescheiterten Friedensbemühungen schließt die EG eine militärische Intervention nicht mehr aus, heißt es in der abschließenden Erklärung in Edinburgh. Die EG-Staaten wollen sich für die Errichtung von Sicherheitszonen einsetzen und die Aufnahme weiterer Flüchtlinge in die Mitgliedstaaten erreichen. Noch immer warten Tausende von Menschen in serbischen Konzentrationslagern auf ihre Ausreise, die sofort erfolgen könnte, wenn sich Aufnahmeländer für sie fänden.

Schwere Vorwürfe gegen die kroatische Regierung formulierte am Sonntag die deutsche Hilfsorganisation „Cap Anamur“. Die Organisation, die sich wegen ihrer schnellen Hilfe bei bosnischen Flüchtlingen hoher Wertschätzung erfreut, hat bisher 96 umgebaute Eisenbahnwaggons nach Slawonien gebracht – in 55 von ihnen könnten sofort Flüchtlinge aus Bosnien einziehen. Auch der Anmietung von Gebäuden für die Betreuung schwerstmißhandelter Frauen werde ein Riegel vorgeschoben. Selbst für die humanitäre Hilfe der deutschen Regierung solle Zoll gezahlt werden. Erich Rathfelder