Unabhängige Kommission zu Bad Kleinen geplant

■ Initiative für RAF-Gefangene traf sich in Bremen / „Spurensicherung hat bewußt Spuren vernichtet“

Der Tod des RAF-Mit glieds Wolfgang Grams in Bad Kleinen soll von einer unabhängigen Kommission untersucht werden. Seit drei Wochen gibt es Überlegungen einer Gruppe „von amnesty international über den Republikanischen Anwaltsverein bis zu Pax Christi“, die Vorgänge in Bad Kleinen aufzuklären, hieß es am Donnerstag abend bei einem Treffen der „Initiative von Beschäftigten aus dem Gesundheitswesen zur Freilassung der politischen Gefangenen“ im Bürgerhaus Weserterrassen. Die Gruppe will namhafte Gerichtsmediziner, Kriminologen und Strafverteidiger aus dem In- und Ausland zusammentrommeln, um der schleppenden Ermittlungsarbeit zum Tod von Wolfgang Grams in Bad Kleinen eigene Untersuchungen entgegenzusetzen.

„Wir stehen vor der paradoxen Situation, daß hier staatliche Stellen gegen sich selbst ermitteln“, sagte Andreas Groß, der als Anwalt die Eltern von Wolfgang Grams vertritt. Grams Eltern wollen in einem möglichen Prozeß als Nebenkläger auftreten. „Der Staat untersucht, ob der Staat gemordet hat.“ Es sei deutlich, daß die Behörden bei den Ermittlungen auf Zeit spielten und auf das Vergessen der Öffentlichkeit spekulierten. „Es werden unseriöse Gutachten veröffentlicht, die nahelegen sollen, daß es wie in Stammheim Selbstmord war oder die Wahrheit nicht zu ermittlen ist. Die Einstellung des Verfahrens wird aktuell vorbereitet“, sagte Anwalt Groß. Für ihn sind die „Pannen“ bei der Spurensicherung nach der Schießerei und dem Tod von Grams keine Zufälle: „Wenn Experten für Spurensicherung die meisten Primärspuren vernichten, wie zum Beispiel die Schußwunde und Schußhand von Grams vor einer Untersuchung sorgfältig säubern lassen, dann liegt der Verdacht nahe, daß die Belege vorsätzlich manipuliert wurden. Der Zwischenbericht der Bundesregierung ist eine Verdummung der Menschen.“

Die unabhängige Kommission soll diese Widersprüche untersuchen. Bisher ist aber noch ungeklärt, „wer die Arbeit macht und wer das Geld gibt.“ Am Wochenende sollen in Frankfurt weitere Schritte geplant werden.

Die etwa 200 BesucherInnen der Veranstaltung forderten die „Freilassung aller politischen Ge

Bad Kleinen - Eine unabhängige Untersuchung soll Klarheit schaffenFoto: Andreas Herzau/Signum

fangenen in der BRD und bis zu ihrer Freilassung deren Zusammenlegung.“ Neben den Berichten über das Ermittlungsverfahren zu Bad Kleinen waren vor allem die Haftbedingungen der RAF-Gefangenen Thema der Veranstaltung. Wie in den siebziger Jahren sei der Staat darauf aus, die Gefangenen zu brechen und sie als Geiseln zu halten, „damit es draußen ruhig bleibt.“ Die Kinkel-Initiative von 1992 sei ohnehin nur begleitet von einer Verschärfung der Haftbedingungen und ein „Spaltungsversuch, Täuschung bis hin zur Killfahnung“ für die Unterstützerszene. Die neben Wolfgang Grams festgenommene Birgit Hogefeld werde in Bielefeld in „strenger Einzelhaft“ gehalten, bekomme alle Post nur verzögert und kontrolliert. Selbst ein Taschenspie

gel für die Kontaktlinsen sei ihr als vermeintliche Waffe verweigert worden, berichteten Mitarbeiter des „Angehörigen-Info“. insgesamt sei Hogefeld einer „Fülle von kleinen Schikanen“ ausgesetzt. Der „Schatzfund“ der Staatsanwaltschaft nach den Verhaftungen in Bad Kleinen, bei dem persönliche Briefe und Kassetten gefunden wurden, sei ohnehin teilweise eine Fälschung: „Nicht alles, was da im Schließfach war, war von Birgit.“

Indirekt wurde deutlich, daß es einen Bruch zwischen „drinnen und draußen“ und auch zwischen den Gefangenen gibt. Der Brief von Helmut Pohl im August, der von vielen als endgültige Absage an die Kinkel-Initiative gewertet wurde, sei nur mit der Hälfte der Gefangenen abgesprochen, hieß es. Vor allem habe Pohl darauf

hinweisen wollen, daß der Anstoß zum Dialog mit dem Staat schon 1990 von den Gefangenen gekommen sei. Manche Langzeithäftlinge hätten erkannt, daß der bewaffnete Kampf in der momentanen Situation nicht mehr sinnvoll und daher einzustellen sei. Darüber gebe es aber unterschiedliche Meinungen.

„Zeit ist keine unerschöpfliche Ressource“, hieß es auf der Veranstaltung, die die Freilassung von Irmgard Möller forderte. Möller sitzt seit 21 Jahren in Haft. Es sei inzwischen klar, daß „die Gefangenen nicht mehr lebendig rauskommen sollen“. Auch draußen würden die Leute verfolgt, die Öffentlichkeit herstellen wollten: „Wer sagt, daß Wolfgang Grams ermordert worden ist, hat ein Verfahren am Hals.“ Bernhard Pötter