Vom Piratensender zum privaten Sender

■ Neues Mediengesetz ermöglicht mehr Bürgerfunk: „Nichtkommerzieller Lokalfunk“ / Finanzierung unklar

Hannover Gegen den erbitterten Widerstand der Opposition hat der Landtag mit den Stimmen von SPD und Grünen in dieser Woche das niedersächsische Landesrundfunkgesetz novelliert. Das reformierte Gesetz sieht die Zulassung von Nicht- Kommerziellen-Lokalfunk (NKL) und eine veränderte Zusammensetzung der Landesmedienanstalt vor. Mit der Verabschiedung des Gesetzes wird aus dem dualen Hörfunksystem — der öffentlich-rechtliche NDR auf der einen, private Anbieter wie Radio ffn und Antenne Niedersachsen auf der anderen Seite — ein „triales“.

Nicht-Kommerzieller-Lokalfunk soll zukünftig mehr Farbe und Bürgernähe in die verkrusteten Strukturen der niedersächsischen Medienlandschaft bringen. Diese war bisher neben dem dualen Rundfunksystem vor allem von der fast durchweg durch die konservativen Verlagsgesellschaft Madsack dominierten publizistischen Zunft dominiert. Der NKL werde mehr publizistische Konkurrenz schaffen und den BürgerInnnen neben dem „Offenen Kanal“ neue Zugangsmöglichkeiten zum Rundfunk verschaffen, hofft Erich von Hofe, medienpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion. Die neuen Sender sollen unabhängig von Werbegeldern und der damit verbundenen Jagd auf Einschaltquoten auf den Äther gehen können. Der NKL soll anfangs für eine begrenzte Stundenzahl am Tag auf Sendung gehen.

Die Finanzierung soll durch ein ein umstrittenes Modell erfolgen. Die rot-grüne Landesregierung plant eine dreiprozentige Abgabe für die Werbekundender privaten Rundfunkanbieter. Während die CDU verfassungsrechtliche Bedenken geltend macht, wird die Reform vor allem von den LeitartikelschreiberInnen der Madsack-Zeitungen kritisiert. Eine durchsichtige Kampagne, da die Verlagsgesellschaft nicht nur die niedersächsische Zeitungslandschaft dominiert, sondern auch an den beiden privaten Rundfunkanbietern beteiligt ist.

Über die Lizenzvergabe für die neuen Sender wird die Landesmedienanstalt entscheiden, die bisher eng an die Staatskanzlei angebunden war. Sie soll sich zukünftig aus gesellschaftlich relevanten Kräften wie Umwelt- und Bürgerinitiativen zusammensetzen. Dieser Eckpfeiler des neuen Gesetzes wird von der Opposition scharf kritisiert. Johann- Tönjes Casssens, medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sieht darin „die vordergründige Absicht einer idiologisch einseitigen Ausrichtung unserer Medienlandschaft“. Bei der Festlegung gesellschaftlich relevanter Gruppen seien mitgliederstarke Organisationen wie der Bund der Vertriebenen oder der Bundeswehrverband von SPD und Grünen ausgeschlossen worden, klagt Casssens, der unter Albrecht niedersächsischer Wissenschaftsminister war. Während die CDU über die „Linkslastigkeit“ des neuen Gesetzes jammert und die Schaffung rot-grüner Spielwiesen wittert, freuen sich zwei Radioenthusiasten ganz besonders: Der Geistliche Jan van den Brull und die Wilhelmshavener Arbeiter vom „Radio-Überleben“. Beide wurden bisher von der Staatsanwaltschaft verfolgt, weil sie aus der Illegalität ihre Predigten sendeten bzw. ihre Existenznöte verkündeten. „Piratensender zu privaten Sendern“ forderte Erich von Hofe schon vor Jahren. Nun stehen zahlreiche Initiativen bereit, diese Forderung Realität werden zu lassen. Danyel Reiche