Kapitulation kommt für die Zapatisten nicht in Frage

■ Aufständische wollen zwar mit der Regierung reden, aber nur zu eigenen Bedingungen

Im ungleichen „Volkskrieg“ zwischen der Zapatisten-Guerilla EZLN und den rund 15.000 Soldaten der mexikanischen Streitkräfte in den Bergen von Chiapas ist Bewegung in die nicht nur militärisch erstarrten Fronten gekommen. Am vergangenen Freitag brach die EZLN erstmals ihr tagelanges Schweigen zum Verhandlungsangebot der Regierung. Über die Faxgeräte der Tageszeitung Jornada und des Pressebüros der indianischen Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu war in den Abendstunden ein Kommuniqué mit dem Absender „Lacandonischer Urwald“ eingelaufen.

Diesem Text zufolge räumen die Aufständischen ein, „zu diesem Zeitpunkt nicht über die notwendige Ausrüstung zu verfügen, um von gleich zu gleich eine gutausgerüstete Armee zu bekämpfen“, und legen ihre prinzipielle Dialogbereitschaft dar. Freilich zu anderen Bedingungen, als es die Regierung bislang vorgeschlagen hatte: der Dialog dürfe nicht einer Kapitulation gleichkommen, müsse „öffentlich“ geführt werden, und „unter keinen Umständen“ würden die Zapatisten die Waffen „dem Feind“ übergeben. Als Vermittler werden so „anerkannte Persönlichkeiten“ wie Rigoberta Menchu und der streitbare Bischof von San Cristóbal, Samuel Ruiz Garcia, in die „Generalkommandantur“ im Regenwald eingeladen.

Allerdings scheinen diese Persönlichkeiten bei der Regierung Salinas nicht dieselbe Anerkennung zu genießen wie bei den indianischen Rebellen. Ohne auf den Vorschlag der Zapatisten auch nur einzugehen, kündigte am Samstag Sozialminister Carlos Rojas die Bildung einer „Spezialkommission“ an. Deren Mitglieder sollen für die „Rückkehr zur Normalität“ in der krisengeschüttelten Region sorgen. Der streitbare Bischof Ruiz, der seit Beginn des Konflikts als potentieller Hauptvermittler gehandelt wird, hat Beobachtern zufolge in seiner jüngsten öffentlichen Stellungnahme die präsidentielle Sympathie endgültig verscherzt. Zwar bezeichnete er das Begnadigungsangebot von Salinas an abtrünnige Rebellen als „prinzipiell ermutigend“, machte aber zugleich deutlich, daß er dessen Einschätzung, die aufständischen Indianer seien von ihren „extremistischen“ Anführern „betrogen“ worden, keineswegs teile. Entgegen der regierungsamtlichen Behauptung von der Infiltration ausländischer „Berufsterroristen“ in Chiapas bestätigte ein Beamter des US-Innenministeriums gegenüber Journalisten, daß nach ersten Recherchen des fünfköpfigen Beobachtertrupps, den die Clinton- Regierung schon vor Tagen nach Chiapas geschickt hatte, „die meisten der bewaffneten Rebellen offensichtlich Einheimische sind“.

Auch in der mexikanischen Hauptstadt steigt mittlerweile die Spannung. Nachdem im Laufe des Freitags in der Börse, im Parlamentsgebäude, am Flughafen und in einem Einkaufszentrum diverse Bombendrohungen für Panik gesorgt hatten, explodierte in der Nacht zum Samstag in Mexiko- Stadt die erste Bombe in einem Parkhaus und verletzte fünf Personen – wobei die Urheberschaft bis gestern nicht eindeutig geklärt war. Deutlich zugenommen hat in den letzten Tagen die Präsenz von Uniformierten auf den teilweise wie leergefegten Straßen im Stadtzentrum. Tatsächlich kündigte die EZLN „Aktionen“ in der Hauptstadt an, ohne allerdings – so die Zusicherung – Zivilisten gefährden zu wollen.

Hartnäckig halten sich in Regierungskreisen inzwischen die Gerüchte um einen Wechsel in der politischen Führung des Landes: Innenminister Patrocinio González, der von Oppositionspolitikern, Intellektuellen und sozialen Organisationen offen zum Rücktritt aufgefordert wird, sitzt ganz offensichtlich auf dem Schleudersitz. Der Ex-Gouverneur des zum Bürgerkriegsschauplatz gewordenen Bundesstaates Chiapas hatte, so erinnern Zeitungskommentatoren, noch im August dieses Jahres in einem Radiointerview versichert, daß es „weder in Chiapas noch sonstwo in Mexiko eine Guerilla gibt“. Anne Huffschmid, Mexiko-Stadt