Ein grünes Feigenblatt für die gelbe Post

■ Mit einem Modellversuch für Elektromobile in Bremen will die Post von ihrer umweltfeindlichen Transportplanung ablenken / E-Mobile kosten mehr, leisten weniger und machen mehr Dreck als Verbrennungsmotoren

Eine grüne Zukunft für die gelbe Post: Statt mit Dieselbrummis sollen Briefe und Pakete in den Innenstädten in Zukunft mit umweltschonenden Elektroautos ausgefahren werden. Leise, abgasfrei, umweltfreundlich. Mit diesem Image wirbt die Post, die sich laut Werbeprospekt ihrer „umweltpolitischen Verantwortung verpflichtet fühlt.“ Den Durchbruch für diese umweltfreundliche neue Öko-Post soll ein Pilotversuch mit etwa 50 Postfahrzeugen bringen, der 1995 und 1996 in Bremen stattfinden soll. Mit einer neuartigen Batterie sollen die Elektromobile der Post den Nachweis erbringen, daß E-Mobile als Verkehrsmittel der Zukunft für die Innenstadt ökonomisch und ökologisch vernünftig sind.

„Alles Unsinn“, meinen dagegen Kritiker. Batterieautos gelten unter Fachleuten schon seit Jahrzenten als wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig zu Verbrennungsmotoren. Die Post selbst rechnet mit Kosten von 42 Pfennig pro Kilometer bei Diesel-Lkw und mit 142 Pfennig für das Versuchs-E-Mobil. Und auch die Ökobilanz der Fahrzeuge ist nur dann positiv, wenn das Nachdenken über Schadstoffemissionen an der Steckdose endet. Überhaupt haben Batterieautos bei Umweltschützern schlechte Karten: zu schlecht ist das Verhältnis von Masse und benötigter Antriebsenergie, solange Autos noch wie Panzer gebaut werden. Greenpeace setzt für eine Verringerung der Schadstoffe durch Verkehr dann auch auf bereits entwickelte Benziner-Sparautos, die 2 bis 3 Liter auf 100 Kilometern verbrauchen. Selbst die Solarmobillobby warnt in ihrer Zeitschrift „solarmobil 93“ vor der „Mogelpackung Elektroauto“. Und Karl Otto Schallaböck vom „Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie“ folgert, daß „zur Lösung der aktuellen Aufgaben im Verkehrsbereich Elektro-Pkw keine nennenswerten, wahrscheinlich noch nicht einmal überhaupt positive Beiträge leisten.“

Im Gegenteil: Bei einer VDI-Tagung im November 1992 urteilte Hermann Blümel vom Berliner Umweltbundesamt: „Der Betrieb eines Batteriefahrzeugs verursacht mehr als 50 Prozent höhere CO2-, geringfügig höhere Stickoxid- und mehr als die zehnfachen SO2-Emissionen wie sie beim Betrieb eines mehrfach höher motorisierten und in seinem Leistungsprofil einem Batterieauto weit überlegenen Katalysator-Pkw verursacht werden. Der Einsatz von Batteriefahrzeugen ist nur dann zu vertreten, wenn deren Emissionsarmut am Einsatzort höher zu bewerten ist als die mit der Emissionsverlagerung verbundenen Emissionserhöhungen. Dieser Fall dürfte nur bei Transportaufgaben in Kurgebieten, im Krankenhausbereich, in Fußgängerzonen etc gegeben sein.“ Zu deutsch: E-Mobile sind leistungsschwächer, teurer und umweltbelastender als Katalysator-Pkw: Ende des Traums vom „sauberen Auto“.

All das soll nun mit der Entwicklung einer neuen Batterie anders werden. Die israelische Firma „Electric Fuels Limited“ (EFL) hat eine Batterie entwickelt, die auf Zink-Luft-Basis funktioniert. Deren Vorteile gegenüber konventionellen Batterien sind unbestritten: kleiner, leichter, ohne giftige Chemikalien und zehnmal so leistungsstark wie eine Bleibatterie: Der Durchbruch in der Batterietechnik, wie EFL und inzwischen auch die Post meinen. 70 Fahrzeuge sollen für zwei Jahre die Wunderbatterie eingepflanzt bekommen und werbewirksam durch Bremen summen. Der TÜV Bayern/Sachsen hat in einem Gutachten das System insgesamt positiv bewertet: „Die Zink/Luft-Batterie erfüllt die postalischen Anforderungen.“

25 Millionen soll der Spaß kosten, 15 Millionen zahlt die Post aus Steuer- und Gebührengeldern, das restliche Geld legt ein Konsortium der Industrie zusammen, das bei der Entwicklung und Logistik der Technik Morgenluft wittert. Denn die Fahrzeuge kommen zum Aufladen nicht an die Steckdose, sondern tauschen die Batterien komplett aus. Die Bremer Firma Vulkan-Engineering will die „Tankstelle“ für die Batterien bauen (siehe Grafik), weil sie sich davon „nach einem erfolgreichen Flächentest der Post schlagartig einen Markt und ein sehr attraktives Geschäftsfeld“ verspricht, wie es in Werbebroschüren von Vulkan heißt.

In die Karten der Zink-Luft-Batterie will sich die Post allerdings nicht sehen lassen. Wissenschaftler beklagen, daß genaue Daten über die Effektivität des Systems nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Bei der Präsentation der Batterie schmetterte der Post-Vorstand Tumm alle Fragen nach den Ergebnissen der TÜV-Tests ab: „Das ist unser Betriebsgeheimnis.“ Immerhin wurde bekannt, daß die Wunderbatterie bisher nur in handgefertigten Unikaten existiert und von einer industriellen Serienreife noch weit entfernt ist. Für Transport und Regeneration der Batterien fallen Energiemengen an, die der Ökobilanz der E-Mobile zugerechnet werden müssen. Die Energie, argumentiert die Post, könne ja aus regenerativen Quellen kommen. Die Bremer Umweltverwaltung ist da ganz anderer Meinung: „Es ist keine Situation denkbar, in der Überschußmengen regenerativen Stroms (für den Betrieb von E-Mobilen) anfallen können“, heißt es in einer Stellungnahme.

Überhaupt erwähnt die Post das Thema „Schadstoffausstoß“ in ihrer Hochglanzbroschüre mit ganzen zwei Zeilen: „Ein zentraler Systemkreislauf auf Zink-Luft-Basis ist energetisch und ökologisch leichter zu handhaben.“ Der Berliner Wissenschaftler Blümel hat für die Bremische Umweltverwaltung eine Schadstoffbilanz von E-Mobilen auf Zink-Luft-Basis erstellt. Seine Ergebnisse stehen im krassen Widerspruch zur Öko-Werbung der Post: Die bescheinigt ihrem Versuch nämlich „ökologische und technologische Unbedenklichkeit“, will „schon der Umwelt zuliebe“ in die Zink-Luft-Technik einsteigen und kommt auf wesentlich höhere Schadstoffwerte für den Dieselmotor. Blümel hat genau hingesehen und kommt zu dem Ergebnis, daß die Fahrzeuge mit Zink-Luft Batterie im Vergleich zum Diesel zwar um etwa die Hälfte geringere Kohlenmonoxid- und Kohlenwasserstoffemissionen haben und daß der Stickoxid-Ausstoß 20 Prozent geringer bis 50 Prozent höher liegt. Schwefeldioxid, verantwortlich für sauren Regen, bläst die angeblich saubere Energieform 4-bis 10mal soviel in die Luft, das Teibhausgas Kohlendioxid schließlich in zwei- bis dreifacher Menge. Sein Fazit klingt für die angeblich revolutionäre Technik nicht anders als für die alten Batterieautos: Einsatz nur in Kurgebieten, Krankenhäusern oder Lagerhallen: „Eine breite Einführung von Batteriefahrzeugen ist vor den erkennbaren umweltseitigen Nachteilen und der geringen Immissionsentlastungspotentialen nicht vertretbar.“

Warum also setzt die Post auf eine Technik, die nicht hält, was sie verspricht? Karl Otto Schallaböck vom Wuppertal Institut argwöhnt, die Postboten bräuchten ein grünes Feigenblatt für ihre aller ökologischer Vernunft widersprechende Reform auf dem Gebiet des Posttransports. Denn unter dem Druck der harten Konkurrenz kommerzieller Anbieter von Kurierdienstleistungen will der „Postdienst“, wie die gelbe Post seit Anfang des Jahres heißt, mit ihrem Programm „Brief 2000“ die Verteilung neuordnen: Die Post will die Innenstädte verlassen und die zentralen Hauptpostämter zugunsten neuer Postsortieranlagen auf der grünen Wiese aufgeben, die verkehrsgünstig an der Autobahn oder dem Flughafen liegen. Statt der Beförderung der Postsäcke über die Schiene, wie das heute zum großen Teil geschieht, sollen die Briefe und Pakete bis zu einer Entfernung von 300 Kilometern per Lkw ins Haus gebracht werden, alles über 300 Kilometer soll per Flugzeug transportiert werden. Eine Strategie, die auf mehr Straßen- und Luftverkehr und damit auf mehr Schadstoffe hinausläuft: Grüne Post, ade.

Und noch ein anderer Verdacht wird laut, den die Post allerdings vehement bestreitet: Ob das Unternehmen „noch rasch öffentliche Mittel nutzen will, bevor es im nächsten Jahr in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird?“, fragte die ZEIT und verwies den Fall verbal an den Bundesrechnungshof. Dessen Prüfer würden sich über das Millionengeschäft noch wundern wo „die Post ohne Aussicht auf Gegenleistung mit Millioneneinsatz Hebamme spielt bei der Entwicklung eines „revolutionären Batteriesystems, das großtechnisch noch im embryonalstadium steckt.“.

Als Alternative zu den gar nicht umweltfreundlichen Batterieautos des Großversuchs hat Hermann Blümel die Umrüstung von normalen Fahrzeugen auf Gasbetrieb anzubieten. Beim Vergleich mit dem Zink-Luft-System lag das Gasauto wesentlich günstiger: Nur die Hälfte bis ein Viertel der CO2-Emissionen, ein Viertel bis ein Siebtel des Stickoxid-Ausstoßes, ein Drittel des Kohlenwasserstoffs, etwa die Hälfte mehr Kohlenmonoxid als das Batterieauto: „Fahrzeuge mit konventionellen, erdgasbetriebenen Verbrennungsmotoren mit Dreiwegekatalysator sind die Technik, die zu vergleichsweise geringen Kosten bei geringem Risko in kürzester Zeit bei Nutzfahrzeugen breit eingeführt werden könnten und damit das weitaus größte Umweltentlastungspotential bieten.“ Ein Erdgasauto kostet 8000 Mark zusätzlich – für die Kosten des Postversuchs könnten statt 70 Batterieautos 3000 Fahrzeuge auf Gas umgerüstet werden.

In Bremen hat die Ebbe im Haushalt bisher größere Dummheiten auf diesem Gebiet verhindert. In der Wirtschafts-, Wissenschafts- und Umweltbehörde gibt man sich bislang mit einer „Moderatorenrolle“ zwischen der Industrie, der Bremer Universität und der Post zufrieden. Geld soll es für den Versuch erst geben, wenn die Uni begleitende Forschungsprojekte durchführt. Das grüne Umweltressort ist von den Plänen sowieso nicht begeistert und will sich an dem Versuch nur mit einem Hybrid-Wagen beteiligen, um einen gemischten Verbrennungs- und Batteriemotor zu prüfen. Anders als die Bildungsbehörde, deren Senator Henning Scherf (SPD) im letzten Herbst eine Solarmobilrallye in Bremen startete, will man im Umweltressort nicht auf diese Weise „unnötig zur Veralberung der Bürger beitragen.“

Bernhard Pötter