Irak fast vier Jahre unter Embargo

■ Der UN-Sicherheitsrat verlängert erneut die Sanktionen

Berlin (taz) – Der UN-Sicherheitsrat hat das gegen den Irak bestehende Embargo erneut verlängert, das nach der irakischen Besetzung des Nachbarlandes Kuwait am 2. August 1990 verhängt worden war. Eigentlich handelt es sich bei der Verlängerung um eine Routineentscheidung, die alle sechs Wochen wiederholt wird.

Aber diesmal war zu der Entscheidung eigens der stellvertretende irakische Ministerpräsident Tarik Asis angereist, um zumindest für eine teilweise Aufhebung des Embargos Stimmung zu machen. Vergebens: Die US-Botschafterin bei der UNO, Madeleine Albright, ließ vor der Entscheidung eine Stellungnahme verbreiten, wonach die Regierung in Washington keine Voraussetzungen für eine Aufhebung des Embargos sehe. Da die USA als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat jede Entscheidung per Vetorecht kippen können, war damit eine weitere Diskussion überflüssig. Dabei waren im Vorfeld gewichtige Stimmen aus Moskau, Peking und Frankreich zu vernehmen, die zumindest eine Lockerung des Embargos forderten. Unterstützt wurden sie von der Türkei. Nach ihrer Darstellung ist das Embargo mittlerweile fragwürdig, weil seine Ziele erreicht worden sind: Erst sollte die irakische Armee gezwungen werden, aus Kuwait abzuziehen, dann sollten die irakischen Militärs unter UN-Aufsicht ihre Massenvernichtungsmittel verschrotten. Das Emirat ist seit Februar 1991 wieder befreit. Nach Aussagen von UN-Inspekteuren, ist das irakische Atomwaffenprogramm inzwischen zerstört, das Chemiewaffenarsenal geleert.

Das Embargo fordert unterdessen weiter Opfer. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef von Anfang Mai beeinträchtigen die Sanktionen die Ernährungs- und Gesundheitssituation der „verletzlichsten und unschuldigsten Gruppe der Gesellschaft“, der Kinder. Drastischer drückt das der frühere US-Justizminister Ramsey Clark aus. Die Sanktionen verursachen nach seinen Informationen „wöchentlich über 2.000 Todesfälle, hervorgerufen durch Mangel an Medikamenten, medizinischer Versorgung, an Nahrung und Diätpräparaten, durch verdorbenes Wasser, durch fehlende Ausrüstung und Werkzeuge, die für die Gesundheitsversorgung nötig wären“. Allerdings geht es der Allianz der Embargogegner nur am Rande um die irakische Bevölkerung. Die türkische Regierung machte sich jüngst in Washington unbeliebt, weil sie mit Bagdad Wartungsarbeiten an einer vom Irak durch die Türkei verlaufende Ölpipeline vereinbarte. Die 986 Kilometer lange Röhre war im Rahmen des Embargos unterbrochen worden. Bei ihrer Wartung würden türkische Techniker das darin steckende Öl – immerhin 12 Millionen Barrel – abpumpen. Nach Ansicht der US-Regierung ein Embargobruch.

Andere Gegner der Sanktionen locken größere Geschäfte. Vertreter des französischen Ölkonzerns Elf Aquitaine unterzeichneten kürzlich einen Vorvertrag über die zukünftige Ausbeutung der Ölfelder auf den irakischen Madschnun-Inseln. Der Konkurrent Total hat das schwarze Gold in Nahr Umar im Visier. Und auch die staatliche italienische Handelskammer zog im April mit 30 Firmenvertretern in Bagdad ein. Thomas Dreger