Der etwas andere Doppelbeschluß

■ Manfred Wörner ist tot – der gnadenlose „Wörner-Erlaß“ gegen Totalverweigerer aber ist weiter ziemlich lebendig

Berlin (taz) – Viel ist in diesen Tagen vom verstorbenen Nato- Generalsekretär und Ex-Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) die Rede. Am Freitag wird er ein pompöses Staatsbegräbnis bekommen. Nicht beerdigt wird dann jedoch der als solcher bekannte „Wörner-Erlaß“ (P II 7) aus dem Jahre 1983. Damals hatte Wörner als Chef der Hardthöhe quasi verfügt, daß die Mindeststrafe für totale Kriegsdienstverweigerer zwölf Monate betragen müsse.

Vor Erreichen dieses Zieles, so der „Wörner-Erlaß“, solle der Totalverweigerer nicht aus der Bundeswehr entlassen werden („Ausnahmen bedürfen meiner Genehmigung“). Sinn und Zweck dieser Vorgabe: Der Totalverweigerer kann erneut einberufen und gegebenenfalls doppelt bestraft werden. Mittlerweile ist der „Stoltenberg-Erlaß“ in Kraft, der – nicht minder gnadenlos – neun Monate Haft für konsequente Antimilitaristen fordert.

Manche Richter scheinen sich davon bis heute beeinflussen zu lassen. So wurde Andreas Wieland aus Magdeburg, der sich Ende 1993 beharrlich geweigert hatte, eine Uniform anzuziehen, am 4. Mai 1994 vom Amtsgericht Riesa zu 12 Monaten Haft wegen „Fahnenflucht und fortgesetzter Gehorsamsverweigerung“ verurteilt. Eine sonst übliche Strafaussetzung zur Bewährung blieb aus. Wie es anschließend weitergeht, wird die Berufungsverhandlung im November vor dem Landgericht Dresden zeigen.

Auf einen „Rühe-Erlaß“, nach dem Totalverweigerer nicht weiter einberufen werden, dürfte vorerst wohl keine Hoffnung bestehen. Gerade erst hat der gegenwärtige Verteidigungsminister gegen den Widerstand der BürgerInnen die Colbitz-Letzlinger Heide als Tummelplatz für die Bundeswehr requiriert.

Immerhin aber kam es in der vergangenen Woche zu einem fast schon ermutigend zu nennenden Urteil des Amtsgerichts Berlin gegen den Totalverweigerer Matthias Mücke. Der hatte Mitte August 1993 seinen Zivildienst nach neuneinhalb Monaten aus Gewissensgründen abgebrochen. Jetzt wurde der Mann nach Jugendstrafrecht zu vier „gemeinnützigen Freizeitarbeiten“ bei Androhung von vier Wochen Jugendarrest verurteilt. Gerold Hildebrand