Atomschummel am Runden Tisch in Wien

■ 21 Länder unterzeichnen heute zahnlose Sicherheitskonvention für AKW

Berlin (taz) – Über den Runden Tisch wollen sich künftig die Experten ziehen, wenn es wieder einmal darum geht, den leidigen Atomschmuggel zu bekämpfen. Wie der Chef der Internationalen Atomenergie Organisation, Hans Blix, auf der 38. Generalversammlung der IAEO in Wien sagte, wolle er die Experten der betroffenen Regierungen bitten, Empfehlungen gegen den Schmuggel von Strahlenmaterial zu erarbeiten. Das Problem selbst wolle er jedoch den Ländern überlassen. Die Staaten sollten sich einigen und auch das Geld bereitstellen, so Blix, der erst kürzlich lauthals eine verstärkte Nutzung der Atomkraft gefordert hatte.

Auf der atomaren Verkaufsmesse „Optionen für die Kernenergie“ der IAEO in Wien hatten erst Anfang September die traditionellen Atomstaaten wie Deutschland, die Vereinigten Staaten und Frankreich den südostasiatischen Markt abgeklopft. Denn auf den heimischen Märkten läßt sich kein Reaktor mehr absetzen – zu stark sind vor allem die Vorbehalte gegen Sicherheitsdefizite.

Allenfalls mehr politischer Druck möglich

Um das arg ramponierte Image der Atomenergie notdürftig aufzubessern, wollen heute in Wien 21 Staaten eine Konvention „Kerntechnische Sicherheit“ unterzeichnen. In der Bundesrepublik sorgen derzeit die Leukämiestudien für Aufsehen. Wissenschaftler fanden heraus, daß rund um das Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht ein bis zu 175 Prozent höheres Risiko besteht, an Leukämie zu erkranken. Während inzwischen der Bund für Umwelt und Naturschutz und auch die Bügerinitiative Umweltschutz das Bonner Umweltministerium aufgefordert haben, derartige Studien in der Umgebung aller bundesdeutschen Atomkraftwerke erstellen zu lassen, finden sich in der Konvention eher leere Absichtserklärungen.

Denn die Unterzeichnerstaaten, zu denen neben den Vereinigten Staaten, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Japan auch Rußland, Tschechien, Polen und Ungarn gehören, verpflichten sich dazu, „mit vertretbarem Aufwand“ die nötigen Verbesserungen an ihren Atomkraftwerken vorzunehmen. Kann dies nicht erreicht werden, sollten Pläne zur Abschaltung der Anlagen umgesetzt werden, „sobald dies möglich ist“.

Die Unterzeichnerstaaten sollen alle drei Jahre auf Vertragsstaatenkonferenzen über die von ihnen vorgenommenen Veränderungen berichten. Es liegt in der Verantwortung der Länder, wie diese Konvention in nationales Recht umgesetzt wird. Außerdem sind die wesentlichen Punkte des Vertrages derart großzügig formuliert, daß nicht damit zu rechnen ist, daß demnächst die maroden Meiler in Rußland oder der Ukraine vom Netz genommen werden. Allenfalls sei erhöhter politischer Druck als bisher möglich, mehr aber auch nicht, heißt es im Bonner Bundesumweltministerium.

In der Konvention sind die Fragen der End- und Zwischenlagerung kaum berücksichtigt. Doch möglichst bald soll eine weitere Konvention über die Sicherheitsbedingungen für die atomare Lagerung erarbeitet werden. Susanne Krispin