Ein Biedermann der CDU will zündeln

■ Ein Lörracher Stadtrat empfiehlt, ein Flüchtlingsheim abzubrennen: Mit Fremdenhaß habe das nichts zu tun, solche Sprüche seien unter Bauarbeitern üblich

Berlin (taz) – Es sei doch nur ein spontaner Ausspruch gewesen, der ihm da entfahren ist. Nebenbei gemacht, nur ganz leise. Und außerdem schon zwei Wochen her. „Das sollte man warm abbrechen“, hat Stadtrat Herbert Piorr gemurmelt, Mitglied der CDU-Fraktion. Gemeint hat er das Asylbewerberheim. Keiner der Kollegen im Lörracher Gemeindeparlament hat den Spruch gehört. Einer aber schon: der Architekt Joachim Schröter jr., der sich im Verein „Neue Perspektive“ gegen Rassismus einsetzt. „Warm Abbrechen bedeutet ja anzünden“, sagt Schröter. Und schließt daraus, das Zitat sei ein Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit.

„So habe ich das doch gar nicht gemeint“, verteidigt sich Piorr, „schließlich habe ich doch seinerzeit für den Bau des Asylbewerberheims gestimmt.“ 29 Jahre lang hat er in der Schweiz als Bauleiter gearbeitet. Nie würde er sich in die Nähe eines Rassisten rücken lassen. Derlei Sprüche seien unter Bauarbeitern eben üblich. „Wenn wir ein altes Haus gesehen haben, haben wir oft gesagt: Das gehört einfach abgebrannt.“

Das Asylbewerberheim in der Lörracher Wölbinstraße ist weder alt noch leer. Gebaut wurde es, als noch Tausende Flüchtlinge kamen. Heute, zu Zeiten des Asylgesetzes, sind nicht alle Wohnungen darin vermietet. Die Stadt Lörrach klagt gegen das Land wegen Mietausfalls. Sie wird unterstützt vom Deutschen Städtetag. In jener Stadtratssitzung am vorletzten Donnerstag berichtete Oberbürgermeister Rainer Offergeld über den Stand der Dinge. Ohne die Unterstützung des Landes müßten die Kommunen jetzt Millionen Mark aufbringen, sagt Piorr. Ja, er hat gewußt, daß in dem Haus Menschen wohnen. „Aber ausländerfeindlich habe ich meine Bemerkung nicht gemeint, ich schwöre.“

Nur hat sich mittlerweile in dem 40.000 Einwohner zählenden Ort herumgesprochen, daß dem Herbert Piorr Skandalöses über die Lippen kam. Das Thema sei zu ernst für „witzige Wortspielereien“, der Vorfall zeige, daß der Geist von Hoyerswerda und Solingen schnell anderswo sei, kommentiert die Badische Zeitung, die den Fall publik machte. Piorrs Worte könnten Täter finden, empört sich das Diakonische Werk und verlangt eine „politische Klärung“ des Vorfalls. Menschenverachtung und Rassismus sprächen aus der Bemerkung des Stadtrats. Piorr sei „als Stadtrat nicht mehr tragbar“, stellt der „Arbeitskreis Miteinander“ fest. Gegenüber der taz spricht Heinz-Dieter Klotz von der „Lörracher Lebenshilfe e.V.“ von „geistiger Brandstiftung“.

Doch Piorr bleibt ganz Biedermann. Er sieht sich bereits als Opfer einer Medienhetze. Auf der Straße nimmt er Mitleidsbekundungen entgegen. „,Was machen die Zeitungen aus Ihnen‘, fragen mich die Leute. Es begreift kein Mensch. Ich habe den Ausländern doch meine alten Möbel gegeben, als ich mich neu eingerichtet habe.“ Piorr bleibt standhaft, obwohl ihm „die Sache auf den Magen schlägt und ich schlecht schlafe“. Vorgestern holte er sich von seinen CDU-Fraktionskollegen Rückendeckung. In der nächsten Gemeinderatssitzung werde man eine gemeinsame Erklärung abgeben. Aussitzen und verharmlosen haben die Freunde von der CDU empfohlen. Mit einem Rechtsradikalen habe er nichts gemein, sagt Piorr. „Das sind die, die Ausländer angreifen, Schlägereien provozieren und pöbeln.“ Nein, was er so schnell gesagt hat, das hätte jeder sagen können. Da ist er sich sicher. Wer an die Brandnacht des 9. November 1933 mahne, sei nur dumm. Rücktritt kommt für ihn nicht in Frage. „Oder vielleicht nur, wenn die Kritik zu groß wird.“ Zunächst jedenfalls will Herbert Piorr „mal sehen, was jetzt kommt“. Annette Rogalla