Heute feiern die Deutschen noch Weihnachten – und denken schon an die nächste Lohnabrechnung. Solidarzuschlag und Pflegeversicherung werden ins Geld gehen, gespart wird bei Geschenkartikeln Von Barbara Dribbusch und Annette Jensen

Schöne Bescherung!

Weihnachtszeit ist Telefonzeit – für Freunde, die sich selten sehen. Zugegeben, manchmal gibt es da Probleme, ein gemeinsames Thema zu finden. Aber nicht in diesem Jahr. Das konnte die taz feststellen, als sie kürzlich zwei Telefonate der Familie Solm in Westberlin belauschte – einmal mit Freunden in Bottrop, ein anderes Mal mit der Cousine in Magdeburg. Beim Thema Geld erwachen die Gespräche zu ungeahnter Lebendigkeit. Zwischendurch lassen wir Experten zu Wort kommen.

„Naja, wir werden im nächsten Jahr so an die 170 Mark weniger im Monat haben“, beklagt sich Robert Solm bei seiner Bekannten Lisa Lütze in Bottrop. Als dreiköpfiger Arbeitnehmerhaushalt im Westen verdienen die Solms im Monat 5.100 Mark brutto. Früher blieben davon etwa 3.560 Mark netto übrig. Im kommenden Jahr aber müssen die Solms mit 3.393 Mark zurechtkommen. Allein der Wegfall der Berlin-Zulage, bisher 110 Mark, schmerzt. Der Solidaritätszuschlag und die Pflegeversicherung geben dem Durchschnittseinkommen den Rest.

Freundin Lisa Lütze aus Bottrop wird die nie gehabte Berlin- Zulage nicht missen, aber „der Solidaritätszuschlag und die Pflege hauen rein“. Mit Mann und zwei Kindern kommt die Familie auf ein Haushaltseinkommen von 8.180 Mark brutto, bisher 5.180 Mark netto. Künftig wird sich der gutverdienende Beamtenhaushalt mit rund 110 Mark weniger bescheiden müssen. Aber der Solidarbeitrag soll ja für den Osten sein. Wenn man da an Solms Cousine Elsa aus Magdeburg denkt, die mit 2.880 Mark brutto über die Runden kommen muß. Eigentlich nur gerecht, daß sie auch mit etwa 34 Mark belastet wird und bei rund 1.820 Mark netto landet. „Die Zeiten sind halt mies“, seufzt Solm. „Da hilft nur abhauen, im Frühjahr ab zum Urlaub nach Mallorca.“

„Die Reiseveranstalter verzeichnen zweistellige Zuwachsraten“, sagt Robert Rethfeld vom Deutschen Reisebüro-Verband. „Besonders Flugreisen sind im Kommen. Da wird nicht gespart.“

„Ihr habt's gut – Mallorca!“ murmelt Lütze ins Telefon. „Wir wollten uns den neuen Polo als Zweitwagen kaufen. Daraus wird wohl nichts.“ Die Ausgaben für Anschaffungs- und Unterhaltskosten für die Lütze-Autos schlagen bisher schon umgelegt mit 550 Mark zu Buche. Die Steuer- und Versicherungsbeiträge sind da noch nicht mal enthalten.

„Das Sparpotential beim Auto ist enorm, denn es bindet einen Riesenteil der Kaufkraft eines Haushalts“, so Thomas Schlier, Pressesprecher der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV). „In Zeiten leerer Portemonnaies werden deshalb die Wagen weniger gewechselt und länger gefahren. Wer hier spart, braucht sich wegen der hohen Summe, um die es geht, in anderen Bereichen wie Nahrung und Kleidung vielleicht gar nicht mehr einschränken.“

Aber Solm will auf den Kauf des Wagens nicht verzichten. „Wir überlegen uns lieber das mit der neuen Sitzgarnitur. Muß ja nicht sein“, übt er sich in Spar-Solidarität. Der Solm-Haushalt gibt monatlich umgerechnet 250 Mark für Möbel und Haushaltsgeräte aus.

„Gespart wird erstmal bei den Ersatzbeschaffungen, bei neuen Möbeln, Kühlschränken und Unterhaltungselektronik“, erklärt Rolf Bürkel von der GFK Marktforschung. „Da besteht noch Manövriermasse.“

Ich behalt' mein Auto und spar' an der Wurst

„Wenn wir mal ehrlich sind, verhungern müssen wir aber nicht“, versucht Solm sich und Lütze zu beruhigen. Tatsächlich, die Lebensmittel sind im Vergleich zu allen anderen Dingen in den vergangenen Jahren billiger geworden. Die Solms geben im Monat etwa 800 Mark für Nahrungsmittel, Getränke und Zigaretten aus. Im prozentualen Vergleich ist das weniger, als Cousine Elsa Schnittke aus Magdeburg berappen muß: Sie zahlt etwa 500 Mark für Essen und Trinken. „Künftig wird wohl noch weniger Geld für Extras bleiben“, hatte sich Elsa am Telefon beklagt. „Aber es muß ja auch nicht immer die teuerste West-Wurst sein.“

„Auch wenn man bei Lebensmitteln eine Qualitätsstufe zurückgeht, hat man immer noch Spitzenprodukte im Weltmarktvergleich“, beruhigt Schlier von der AgV.

Zur Jahrhundertwende mußten die abhängig Beschäftigten immerhin noch rund 85 Prozent ihres Haushaltseinkommens für lebensnotwendige Ausgaben wie Nahrung, Bekleidung und Wohnung verwenden. Aber diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Also eigentlich kein Grund zum Jammern. Wenn man kein Einzelhändler ist. Dort mußten die Unternehmen schon in diesem Jahr herbe Einbrüche hinnehmen. Allen voran die Geschenkartikel-Branche. „Das meiste ist sowieso zu teuer“, meint Solm und steht damit nicht allein.

Während europaweit immer weniger Verbraucher Niedrigpreiswaren kaufen, ist in Deutschland der Trend umgekehrt, ergab eine Studie des Londoner Henley Centre. In Ostdeutschland bevorzugten 73 Prozent der Verbraucher Niedrigpreiswaren, in Westdeutschland 43 Prozent. In Italien dagegen waren es nur 37 Prozent.

(Die Verbraucher-Ausgaben sind angelehnt an Angaben des Statistischen Bundesamtes, die Brutto-Einkommen wurden modellhaft den zu versteuernden Einkommen gleichgesetzt)