Und was ist mit dem Hosenrock?

■ Als die Frauen lernten, Hosen zu tragen: Kulturgeschichte eines Kleidungsstücks

Noch in den sechziger Jahren war Mädchen in einigen Schulen meiner Heimatstadt Köln das Tragen von Hosen verboten. Die Schande war einst groß für den Mann, dem die Hosen ausgezogen und der davongejagt wurde. Entehrt und symbolisch kastriert war, wer das Synonym für Männlichkeit, Potenz und Überlegenheit entbehrte. Hatte dagegen die Frau die Hose an, so wurde sie vor zweihundert Jahren von der Polizei verhaftet. Sie verlor mit ihr „alle Grazie ihres Geschlechts“, ohne „einen einzigen von den Vorteilen“ des männlichen erlangen zu können. „Rasche Bewegung, Laufen, Sichbücken“ galten als „vulgär und unweiblich“.

Hosenmodelle freilich, die die weiblichen Reize unterstrichen, stellten – in späteren Zeiten – keine Gefahr mehr da, sondern ein Angebot. Zwischen 1930 und 1949 schien laut der Zeitschrift Koralle ein „Hosenbund“ gegründet, dessen Satzung verkündete: „Friede zwischen Frau und Mann, Sie trägt sie zwar! – Er hat sie an.“

Der Zusammenhang zwischen Hose und Revolution ist evident. Die Frauenhose wurde zum Symbol des Kampfes gegen die männliche Herrschaft, für politische Gleichstellung der Frau, aber auch ihre erotische Freiheit. Die Hose war männliches Privileg, seit in der Aristokratie die Kriegerkaste Reiterkaste war und Hosen trug. Doch ihr Verbot für Frauen war damals nie total. Im 18. Jahrhundert erst, mit der „Aufklärung“, setzten sich Geschlechtertrennung und -entgegensetzung in großer Reinheit durch: Der Bürger, männlich, ist öffentlich exponiert, leistungsorientiert und aktiv. Die Frau ist sanft, zurückhaltend und karitativ. Anmutig, rührend hilflos und von schwacher körperlicher Konstitution sollte sie sein. Und sie war beziehungsweise wurde es in der Tat: mit Schnürkorsett und harten Fischbeinen, unzähligen schweren Unterröcken und hohen Schuhen – unsicher, beschwert und eingeengt. Die Französische Revolution animierte viele Frauen zum ersten großen Sturm auf Männerkleider. Für kurze Zeit trugen die Revolutionärinnen Hosen und Waffen, bis alle Frauenclubs definitiv verboten und Soldatinnen aus der Armee ausgeschlossen wurden. Weise war die Einsicht des Revolutionsbeobachters Joachim Heinrich Campe, daß „alle Damen übereingekommen zu seyn scheinen, den männlichen Schritt mit uns zu halten“.

Der Kampf für die Frauenhose sollte noch lange dauern und ungeheuren Aufwand benötigen. Frühsozialisten, Quäker, Kleiderreformbewegung, Frauenbewegungen im Übergang zum 20. Jahrhundert und sogar noch die 68er machten sich um sie verdient. Pille, sexuelle Befreiung und neue Frauenbewegung gingen zuletzt Hand in Hand mit der Etablierung der Hose als normalem Kleidungsstück der Frau.

Die revolutionären Impulse aber hätten nie gefruchtet, hätten sie nicht bisweilen zwielichtige Helfer im praktischen Leben gefunden. Ärzte, besorgt um die Gesundheit der Gebärenden, machten sich um die Einführung weiblicher Unterhosen verdient und betrachteten auch „Pantalons“, feinglänzende Strumpfhosen, als nützlich. Wo Frauen in der Arbeit hart zupacken mußten, war es mit der Durchsetzung der Hose immer schon einfacher, je knapper die männliche Arbeitskraft, um so mehr. Im Krieg störte sich niemand an Frauenhosen, im Gegenteil, sie schützten Zucht und potentielle Nachkommenschaft. Doch von der Arbeit ging eher Fron denn Freiheit aus, und so waren die Weiber froh, sie im Anschluß wieder auszuziehen und ganz weiblich sein zu dürfen.

Die einst besorgniserregende Anzahl weiblicher Ohnmachten sprach mehr für Sport, und nach den ersten sanften gymnastischen Übungen war die Kräftigung der Frau nicht mehr aufzuhalten. Nach und nach eroberten sich Frauen alle Sportdisziplinen, schließlich und endlich auch in Hosen. Ging es um Neuland, so gelang die Eroberung um so besser. Radfahren verursachte ein „berauschendes Gefühl von Freiheit“, in Hosen und ohne männliche Begleitung übte frau sich in „Muth und Selbständigkeit“, bereit gar zum freien Fahrradflirt. Die Mode schließlich setzte zwar ein paar Impulse, soweit führende Damen der Gesellschaft nach Extravaganz und Emanzipation verlangten, überwiegend jedoch wirkte sie konservierend, bis daß sie in der modernen Massen- und Konsumgesellschaft demokratisiert wurde. Die Frau strebte zur Hose zwecks sozialen Aufstiegs, der Mann nicht zum Rock, weil nicht zum sozialen Abstieg. Die Hose für die Frau heißt auch Enterotisierung – eine Befreiung zu Bewegungsfreiheit und Versachlichung in der Leistungsgesellschaft. Die Industrialisierung integrierte die Frau in die Arbeitswelt, auch wenn sie in der Krise von dort immer wieder verdrängt und zum femininen Kleidertragen veranlaßt wird.

Die Hose brach sich Bahn vom Privileg einzelner über die Unterhose, die Hose unterm Kleid, nichtöffentliches oder nächtliches Tragen, als praktische Nutzkleidung, als Neuheit für Junge und Schlanke, in der weiblichen Variante bunt, leicht und körperbetont bis hin zum universellen Kleidungsstück in Zeiten des anything goes. Mit einer Ausnahme: Schöne Frauen haben es schwer, wenn es um Macht und Geschäft geht. Der Erfolg ist immer noch männlich. Heute wird empfohlen: „Wenn eine Frau in der Männerwelt Erfolg haben will, sollte sie besser nicht zu weiblich aussehen.“ Mechtild Jansen

Gundula Wolter: „Hosen, weiblich. Kulturgeschichte der Frauenhose“. Jonas Verlag Marburg 1994, 317 Seiten, 38 DM.