Die Kolonisierung des Frauenleibes

■ Contra Experimente: Mit der Transplantation von Fötengewebe wird Abtreiben zum Zulieferergewerbe

Die Transplantationsmedizin hat das Sterben produktiv gemacht. Zellen und Gewebe sind der Grundstoff für die Produktion neuer, gentechnologischer Medikamente geworden. Mit der Transplantation von Fötengewebe wird ein neuer medizinischer Sektor eröffnet, dem Frauen als Lieferantinnen und als Konsumentinnen angegliedert werden. Das Abtreibungsgeschehen wird zum Teil eines Produktionsgeschehens: Die angewandten Methoden werden nicht am Wohl der Frauen, sondern an dem der Gewebeempfänger orientiert. Das reicht vom Einsatz größerer Kanülen und von erhöhtem Druck beim Absaugen bis hin zu Screenings für HIV-Infektionen. Mehrere Abtreibungen müssen zeitlich parallel durchgeführt, das gewonnene Gewebe muß aufgearbeitet und innerhalb weniger Stunden zum Ort der Transplantation geliefert werden.

Versprochen wird, „Überleben“ und „Heilung“ technisch herstellen zu können. So scheint das Produktivmachen der abgetriebenen Leibesfrucht nicht nur möglich, sondern geboten. Tod und Krankheit gelten als vermeidbares Übel, „Gesundheit“ als machbar, wenn man/frau sich den Bedingungen des modernen medizinischen Managements unterwirft.

Wer Heilung behauptet, hat recht, so das Motto medizinischer Sachzwanglogik. Unkenntlich gemacht werden die Konsequenzen: Unsere Selbstwahrnehmung wird unter „Nützlichkeitsperspektiven“ gezwungen. Hier wird nicht „Material vorgefunden“, so die beliebte Redewendung der Neurochirurgen, hier wird sozialpflichtig abgegeben, perspektivisch produziert und zunehmend nachgefragt. Man experimentiert an Tier und Mensch, baut eine Infrastruktur auf, bietet Gewebe als „Therapiekonzept“ an, schafft Bedarf. Es entsteht ein Recht darauf, etwas nachzufragen – nämlich fötales Gewebe. Und damit wird der Frauenleib enttabuisiert. Ein weiteres Mal, denn in der pränatalen Diagnostik und Gynäkologie sind Frauen längst fötales Umfeld eines wissenschaftlich bewertbaren und bearbeitbaren „Embryos“.

Innerhalb dieser Marktlogik, kombiniert mit dem moralischen Schuldverhältnis, das uns als Lieferantinnen und Konsumentinnen der wissenschaftlichen Heilungsaussicht verpflichtet, gibt es kein Entrinnen. Die „informierte Zustimmung“ als sogenannte ethische Verfahrensregel einzuführen ist ein Betrug. Wissenschaft erscheint innerhalb dieses Konzepts lediglich als Anbieterin. Die Entscheidungszumutungen werden abtreibenden Frauen und ratlosen oder hoffenden Angehörigen aufgeladen. Erika Feyerabend