■ Politik reicht nicht
: Teil des Balkans

Seit drei Jahren sind intensive Bestrebungen der türkischen Diplomatie bei den Vereinten Nationen, der KSZE, der Nato, der Europäischen Kommission und der Islamischen Konferenz im Gang, um die „ethnischen Säuberungen“ zu stoppen und die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität Bosnien-Herzegowinas zu wahren. Schon im August 1992 forderte die Türkei eine internationale Intervention mit begrenzten Luftangriffen auf serbische Stellungen. Doch die Appelle an die internationale Gemeinschaft, die Bosnien das Recht auf Selbstverteidigung entrissen hatte und gar nicht daran dachte, diesen Zustand zu korrigieren, gingen ins Leere. Diese Nicht-Intervention kann nicht mit logistischen Problemen entschuldigt werden, auch nicht mit der Unerfahrenheit internationaler Organisationen, den nicht vorhandenen Ölreserven, der Unbeholfenheit westlicher Politiker. Der Punkt, an dem Bosnien angelangt ist, ist Folge der bewußten Entscheidungen Englands, Frankreichs und Rußlands, die als Mitglieder des Sicherheitsrates der UN vor dem Völkermord die Augen verschließen.

Es ist offensichtlich, daß das Regime in Serbien alle Momente des Faschismus in sich trägt. Eine spekulative Frage sei erlaubt: Wäre nicht bereits im April 1992 die Intervention erfolgt, wenn die Serben Muslime wären und die Aggression von muslimischen Serben ausgegangen wäre? Weil ich die Entwicklungen in Bosnien nicht als ethnischen Konflikt oder Religionskrieg einstufe, sondern als expansionistischen Angriffskrieg, genährt von ethnischen und religiösen Motiven, kann ich diese Frage nicht leichten Herzens verneinen. Es ist offenkundig, daß die Verantwortlichen nicht allein bei den Serben Bosniens und dem faschistischen Regime Serbiens gesucht werden können. Genauso entscheidend war der Widerstand der westlichen Staaten dagegen, zumindest eine Interventionsdrohung auszusprechen. In diesem Rahmen symbolisiert die bosnische Frage den nicht wiedergutzumachenden Bankrott von KSZE und Nato.

Vom Standpunkt der Türkei aus zeigt die bosnische Frage, daß eine richtige Politik, sei sie diplomatisch noch so ausgereift, unzureichend ist, falls keine Macht dahintersteckt. Solange die Türkei in den Grenzen des internationalen Rechts handelt, das sie von der internationalen Gemeinschaft in Bosnien einklagt, so lange wird ihre Kraft nicht ausreichen für eine Veränderung der politischen Konjunktur. Doch die Türkei ist ebenfalls Teil des Balkans. Die Annahme, daß sie stets in der Rolle des Zuschauers die Entwicklungen auf dem Balkan verfolgen wird, könnte sich als falsch erweisen. Sule Kut

Die Autorin lehrt an der Marmara-Universität in Istanbul „Internationale Beziehungen“