Irland stimmt für das Recht auf vage Information

■ Massive Einschüchterungen der Parlamentarier durch Abtreibungsgegner

Dublin (taz) – Irinnen dürfen über Abtreibungsmöglichkeiten im Ausland informiert werden. So hat es das Dubliner Parlament bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs am Internationalen Frauentag mit 18 Stimmen Mehrheit beschlossen. Damit steht fest, daß die Vorlage heute die letzte Lesung überstehen wird, und vom Senat sind ebenfalls keine Schwierigkeiten zu erwarten.

Ob der Entwurf tatsächlich Gesetz wird, ist dennoch ungewiß. Staatspräsidentin Mary Robinson hat angekündigt, das Gesetz nächste Woche an das höchste irische Gericht zu verweisen, um die entscheidende Frage klären zu lassen: Erlaubt die Verfassung die Herausgabe von Adressen englischer Abtreibungskliniken, oder dürfen irische ÄrztInnen lediglich allgemein auf die Existenz solcher Kliniken hinweisen? Mit der Einschaltung des Gerichts will Robinson den Verfassungsklagen der Abtreibungsgegner zuvorkommen.

Der Streit um den Gesetzesentwurf wurde bis kurz vor der Abstimmung am späten Mittwoch abend heftig ausgefochten. Etwa 40 „Lebensschützer“ und rund 300 GegendemonstrantInnen lieferten sich vor dem Parlamentsgebäude stundenlang heftige Wortgefechte. Die katholische Hierarchie veröffentlichte eine Presseerklärung, worin sie den Abgeordneten, die für das Gesetz stimmten, die „Mitschuld an der Tötung ungeborener Kinder“ gab. Darüber hinaus versuchten die AbtreibungsgegnerInnen, zahlreiche Abgeordnete durch anonyme Anrufe und Briefe einzuschüchtern.

Mindestens in einem Fall hatte die Kampagne Erfolg: Jim McDaid von der Oppositionspartei Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) stimmte aus Angst gegen die Gesetzesvorlage, obwohl er nach eigener Aussage dafür ist. Er hatte einen Brief erhalten, in dem er als „Nachfolger des Satans“ bezeichnet wurde. „Nach deinem Tod wird das Urteil über dich gesprochen“, hieß es in dem Brief, „wir werden dein Haus belagern und deine Arztpraxis boykottieren.“ McDaid sagte gestern: „Bevor es jemand anders tut, möchte ich es lieber selbst sagen: Ja, ich bin ein Heuchler, aber ich bin nicht alleine. Viele meiner Kollegen sind in den vergangenen Wochen eingeschüchtert worden.“ Alan Shatter von der Regierungspartei Fine Gael (Stamm der Gälen) sprach „den Fundamentalisten jede Glaubwürdigkeit“ ab. „Ein ums andere Mal haben sich ihre Prophezeiungen in juristischen und sozialen Fragen bei diesem Thema als falsch erwiesen“, sagte er, „und dennoch geben sie immer noch ihr absolutistisches und selbstgerechtes Geschrei von sich.“

Die „Pro-Life Campaign“ gibt sich nach dem Votum aber längst noch nicht geschlagen. Man hat einen noch nie angewendeten Verfassungsparagraphen ausgegraben, wonach ein Referendum erzwungen werden kann, wenn eine Senatsmehrheit sowie ein Drittel der Abgeordneten eine entsprechende Petition unterzeichnet. Der unabhängige Abgeordnete Johnny Fox hat sich bereit erklärt, die Petition vorzubereiten. Dabei ist die Gesetzesvorlage selbst das Produkt einer Volksabstimmung: Vor gut zwei Jahren haben die IrInnen das Recht auf Information abgesegnet. Ralf Sotscheck