Heimgezahlt

■ Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg leisten Entschädigung an Sitzblockierer

Mainz (AP/taz) – Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland die Rückholaktion für ungerechte Strafen anlaufen lassen: friedensbewegte Sitzblockierer, die einst wegen Nötigung verurteilt wurden, werden wieder in den Stand straffreier Menschen zurückversetzt. Das unschuldige Sitzfleisch wird voll rehabilitiert und gegebenenfalls entschädigt. Das versprach Justizminister Peter Caesar am Freitag vor dem Mainzer Landtag, und folgte damit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte vergangene Woche entschieden, daß sich Blockierer nicht strafbar gemacht hätten.

Dann eben nicht, sagt sich FDP-Mann Caesar, und weist nun die Staatsanwaltschaften seines Landes unverzüglich an, „in allen einschlägigen Verfahren die Wiederaufnahme zu beantragen. Strafurteile oder andere an ein geringes Verschulden anknüpfende Sanktionen müssen umfassend beseitigt werden“. Caesar geht davon aus, daß die Wiederaufnahmeverfahren mit einem Freispruch enden werden, soweit die Blockadeteilnehmer nicht noch andere Schuld auf sich geladen hätten. Sind sie unschuldig, müsse das Land Geldstrafen zurückzahlen, Entschädigung für Haftzeiten leisten sowie Gerichts- und Anwaltskosten aus den früheren Verfahren erstatten. Und weil man wirklich alles wiedergutmachen will, würden Verfahren im übrigen auch dann wiederaufgenommen, wenn der Verurteilte bereits tot sei.

Den 818 Sitzblockierern, die zwischen 1983 und 1989 bestraft und verurteilt wurden, wird nun mit Geld über das erlittene Unrecht hinweggeholfen. Damals wurden insgesamt 1.148 Personen ermittelt. 76 Hinterschinken wurden freigesprochen. 16 Prozesse seien bei den Gerichten noch anhängig, was sich jetzt erledigt haben dürfte. Sehr zur Freude des rheinland-pfälzischen Landtagspräsidenten Christoph Grimm (SPD), der „tiefe Genugtuung“ empfindet. Terror und Verwirrung herrscht dagegen im Kopf des CDU-Abgeordnete Georg Adolf Schnarr: „Extremistischen Aktionen sei nach diesem Urteil Tür und Tor geöffnet.“ Bald auch in Baden-Württemberg. Dort unterstützen die Staatsanwaltschaften die zu Unrecht Verurteilten bei der Wiederaufnahme ihrer Verfahren. Ein formloses Schreiben würde genügen, erklärte Justizminister Thomas Schäuble (CDU). Außerdem bemühe man sich, beim Gericht Freisprüche auf dem Beschlußwege zu beantragen, damit die Verurteilten zu allem Überfluß nicht noch mal zur Hauptverhandlung antreten müssen. miß