Mexikos Armee ums eigene Image besorgt

■ Demonstrationen und Besetzungen vor neuen Friedensverhandlungen

Mexiko (taz) – Die Zehntausenden von DemonstrantInnen, die in Mexiko-Stadt des 76. Todestages des Revolutionsführers Emiliano Zapata gedachten, werden mit Genugtuung zur Kenntnis genommen haben, worauf sich in der Nacht zum Montag drei Regierungsvertreter und sieben „comandantes“ der zapatistischen EZLN-Guerilla geeinigt hatten: Ab dem 20. April, so die Absprache, soll in der Ortschaft San Andrés Larráinzar im Hochland ein ständiger Dialog starten.

Schon die erste Begegnung zwischen Rebellen- und RegierungsvertreterInnen in der abgelegenen Gemeinde San Miguel stand allerdings auf wackligen Füßen. So wollten die Regierungsunterhändler partout nicht in der Dorfkirche verhandeln, so daß die AnwohnerInnen der 900-Seelen-Gemeinde noch im Morgengrauen eine kleine Holzhütte zu diesem Zweck zimmern mußten. Belagert von einer internationalen Presseschar und einem 500köpfigen „Friedensgürtel“ aus „tzeltal“-IndianerInnen und Mitgliedern von nichtstaatlichen Organisationen, diskutierte man bis tief in die Nacht vor allem über einen Punkt: den Ort der nächsten Begegnung, als Auftakt zum „eigentlichen“ Dialog.

Erwartungsgemäß war der zapatistische Vorschlag, die Gespräche in der Bundeshauptstadt abzuhalten, bei der Regierungspartei auf wenig Gegenliebe gestoßen. Erstens solle es bei den Verhandlungen mit der EZLN ja lediglich um „regionale“ und nicht etwa um „nationale“ Fragen gehen, und zweitens, so wurde die ablehnende Haltung lapidar begründet, gehe es in der Hauptstadt sowieso schon chaotisch genug zu.

Ungeklärt ist nach wie vor die militärische Lage im okkupierten Regenwald und vor allem am künftigen Verhandlungsort. Schon San Miguel gilt als eine der hochmilitarisierten Zonen im Krisengebiet, in deren Umkreis nach Reporterrecherchen rund 12.000 Soldaten stationiert sind. Nach Beobachtungen einer Greenpeace-Delegation verfolgen die Streitkräfte in Chiapas eine Art low intensity-Strategie nach zentralamerikanischem Vorbild. Besonders bedacht sei die Armee dabei auf ihr Image, so Greenpeace-Leiter Rafael González: mit einer Mischung aus Lebensmittelverteilung und „vereinzelten, aber gezielten Menschenrechtsverletzungen“ werde versucht, jeden Draht zwischen Bevölkerung und Guerilla zu kappen.

Auch die TeilnehmerInnen der internationalen Ökumenischen Mission, die eine Woche lang in Chiapas die Lage vor Ort beobachtet hatten, halten den Rückzug der Bundesarmee für „eine entscheidende Maßnahme zur Entspannung in der Krisenregion“. Die Anwesenheit des Militärs in den Dörfern mache den Anwohnern sichtlich Angst, berichtete Elisabeth Bäumlin vom Verband Evangelischer Kirchen der Schweiz, „und mit Angst läßt sich kaum ein Dialog führen“.

Daß die Lage auch weiterhin angespannt ist, zeigte sich am Montag abend. In Las Margaritas in Chiapas besetzten Bauern zwei öffentliche Gebäude und einen Rundfunksender, und in dem offenbar mehrheitlich von Anhängern der Regierung bewohnten Dorf Badenia wurden bei einem ähnlichen Besetzungsversuch vier Menschen getötet.

Unterdessen proben die chiapanekischen Vertreter der Regierungspartei PRI im Bundesparlament erstmals den parteiinternen Aufstand. Großes Aufsehen erregte am vergangenen Donnerstag ein Brief der Parlamentarier aus Chiapas, in dem Präsident Zedillo aufgefordert wird, seinem Vorgänger Salinas und Ex-Wirtschaftsminister Aspe einen „politischen Prozeß“ zu machen und deren Vermögen zu beschlagnahmen. Diese Forderung war bislang nur von der linksoppositionellen PRD erhoben worden. Anne Huffschmid

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