Werben um Wählerinnen

Spaniens Parteien streiten über die Liberalisierung des Abtreibungsrechts  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Noch vor der Sommerpause will Spaniens Regierungschef Felipe González ein neues Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch durchs Parlament bringen – davon erhofft er sich Wählerstimmen in den Ende des Monats anstehenden Kommunal- und Regionalwahlen. Doch das könnte leicht nach hinten losgehen: Die katalanischen Nationalisten in der Partei CiU, die die Minderheitsregierung des Sozialisten González unterstützen, rebellieren. Eine Fristenregelung sei mit ihnen nicht drin, drohte jetzt der CiU-Chef und katalanische Ministerpräsident Jordi Pujol. Praktisch alle Abgeordneten seiner Gruppe würden dagegen stimmen. Besonders der christdemokratische Flügel der eher konservativen CiU drängt darauf, die Fristenregelung zur Gretchenfrage zu machen. „Deshalb hoffen wir, daß dieses Thema nicht ins Parlament kommt“, gibt Pujol zu denken.

González befindet sich in einer Zwickmühle, denn er hat sich in der Abtreibungsfrage bereits weit aus dem Fenster gelehnt. Durch unzählige Skandale hart angeschlagen, muß er nun fürchten, daß der Streit ihm keine Stimmen bringt, sondern ihm vielmehr schaden wird. Von links drängt die kommunistische „Vereinigte Linke“ (IU) zu einer Entscheidung – zusammen mit ihren Stimmen im Parlament könnten die Sozialisten für ihren Gesetzentwurf ohne weiteres die absolute Mehrheit erhalten. Einziger Streitpunkt wäre in diesem Falle die volle Kostenübernahme von Abtreibungen durch die Krankenkassen. Der Regierungsentwurf sieht dies bisher nicht vor. Dies sowie die im Entwurf vorgesehene Zwangsberatung sind die Hauptargumente spanischer FeministInnen gegen die Gesetzesvorlage.

Nach dem alten Abtreibungsgesetz aus dem Jahre 1985 ist ein legaler Abbruch nur im Falle von zu erwartenden Mißbildungen beim Kind, bei gesundheitlicher Gefährdung der Mutter oder bei einer Schwangerschaft als Folge von Vergewaltigung möglich. Eine soziale Indikation ist nicht vorgesehen – bis heute ein Grund für Abtreibungsreisen ins Ausland. Wer sich im Inland behandeln läßt, findet meist, selbst wenn eine gültige Indikation vorliegt, keine öffentliche Klinik. 90 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche werden in Privatkliniken durchgeführt. Der Preis dafür liegt im Durchschnitt bei umgerechnet 600 DM. Und die Ärzte leben gefährlich: So wurden in den letzten zwei Jahren eine Klinik in Malaga und in Madrid zu Opfern richterlicher Ermittlungen. Den dort Abtreibungen durchführenden Ärzten wurde vorgeworfen, bei der Auslegung der Indikationsregelung schon mal ein Auge zugedrückt zu haben. Verhaftungen und Verurteilungen waren die Folge. Der Gesetzentwurf ist nicht zuletzt das Ergebnis dieser Vorfälle.

Die konservative Opposition in der „Partido Popular“ macht zusammen mit der Kirche gegen die Fristenregelung mobil. Für den Sekretär der Bischhofskonferenz José Sánchez ist der Fall klar: „Niemand kann über fremdes Leben verfügen, weder die Mutter noch der Staat, noch die Ärzte oder die Väter.“ Aber die spanische Bevölkerung steht längst nicht mehr geschlossen hinter der Kirche. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CIS waren 40 Prozent der Befragten für eine Liberalisierung des Gesetzes und nur 10 Prozent gegen jeglichen Schwangerschaftsabbruch. 1991 befürteten nur 29 Prozent eine Liberalisierung. Es ist eine erstaunliche Entwicklung für ein Land, das bis zu Francos Tod 1975 „römisch-katholisch verfaßt“ war.