Gewerkschaften für Flughafen in Sperenberg

■ ÖTV-Chef sieht Kompromiß: Landesgelder für Bundesautobahn, Havelausbau streichen

Herr Lange, Sie sitzen für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der Flughafen-Holding. Warum sind Sie für den Standort Sperenberg?

Kurt Lange, ÖTV-Vorsitzender: Wir wollen einen konkurrenzfähigen Großflughafen. Dafür brauchen wir einen 24-Stunden-Betrieb, den man nur in Sperenberg, nicht aber am stadtnahen Standort Schönefeld-Süd gewährleisten kann.

Freitag treffen sich Diepgen, Stolpe und Bundesverkehrsminister Wissmann. Rechnen Sie mit einer Entscheidung?

Natürlich. Und die kann unter verkehrs-, arbeitsmarkt- und umweltpolitischen Gesichtspunkten nur für Sperenberg ausfallen.

Wenn das Trio sich nicht einig wird und deshalb der Aufsichtsrat seine für Ende Juni geplante Entscheidung nicht treffen kann, welche Folgen hätte dies?

Uns saß der Druck im Nacken, weil das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz 1996 enden sollte. Das ist inzwischen verlängert worden. Jetzt können wir auch ein paar Monate später entscheiden, wo der Flughafen hin soll. Am wichtigsten ist, daß bei dieser Entscheidung alle Beteiligten ins Boot steigen. Wenn im Aufsichtsrat Bund und Berlin überstimmt würden, werden die bei der Finanzierung doch nicht mitmachen.

Bonn will nur 350 Millionen Mark für Autobahnen und Schienenstränge zum neuen Großflughafen zahlen. Wer soll im Falle Sperenbergs dann die fehlenden 1,5 Milliarden Mark finanzieren?

Es bahnt sich ein Kompromiß an, bei dem der Bund den Löwenanteil für die Infrastruktur zahlt. Den Rest zahlen Berlin und Brandenburg. Die Privaten bauen den Flughafen.

Was heißt bei den 1,8 Milliarden Mark für Verkehrsverbindungen „Löwenanteil“?

Was soll ich dazu sagen?

Könnten Berlin und Brandenburg 900 Millionen Mark tragen?

Dann kann was anderes nicht gebaut werden.

Soll die Havel – das Projekt 17 – nicht mehr ausgebaut werden?

Zum Beispiel.

Keiner weiß, wie sich die Fluggastzahlen tatsächlich entwickeln werden. Die Gewerkschaften aber favorisieren mit Sperenberg ausgerechnet den Standort, der sich erst bei enormen Fluggastzuwächsen rentieren würde. Geht es Ihnen in Wirklichkeit darum, mit dem milliardenteuren Bau eines Großflughafens vor allem die Konjunktur in der Region anzukurbeln?

Erstens gehen ÖTV und DGB davon aus, daß zukünftig mehr und nicht weniger Fluggäste reisen werden. Zweitens ist Sperenberg im Vergleich mit einem Neubau in Schönefeld-Süd unter dem Strich nicht die teurere, sondern die billigere Variante. Der Bau des Flughafens in Sperenberg selbst wäre günstiger, es müßten kaum Anwohner umgesiedelt werden, und im Betrieb würde Sperenberg mehr Gewinne abwerfen.

Warum sperren sich die Gewerkschaften gegen einen Ausbau von Schönefeld?

Wegen der Umsiedlung von knapp tausend Menschen, wegen der Lärmbelastung und wegen der Kosten, die entstehen, wenn der Flughafen während des Betriebs ausgebaut würde. Interview: Dirk Wildt