Sanssouci
: Vorschlag

■ Die den Metal retten könnten: Kyuss und Melvins im Loft

Kyuss sind auch nur eine Rockband. Über ihre Musik zu reden fällt ihnen nicht schwer – sie tun's einfach nicht. Auch ihren Namen haben sie nur deswegen von einer Figur aus dem Adventure-Spiel „Dungeons & Dragons“ geklaut, weil er gut klingt. Als einzige Einzelheit verraten Kyuss dem informationshungrigen Fan nur, daß sie die Gegend lieben, in der sie aufgewachsen sind und immer noch leben: Die Wüste um Palm Springs, Kalifornien. Kyuss klettern durch Canyons, schwitzen sich den Arsch ab, und Sand knirscht zwischen ihren Zähnen. Und in derselben absurden Manier wie das Reiche-Rentner-Dorf Palm Springs mitten in die Einöde gesetzt wurde, plazieren Kyuss mitten in Metal- Strukturen Gefühle, die dort nichts verloren haben.

Der Metal der letzten Jahre war zum einen vom Hardcore und dem Drang zu Experiment und Urschei beeinflußt, zum anderen von der Suche nach der Essenz. Was dazu führte, daß er entweder Comic-Emotionen ausdrückte oder zu einer Art Maschinenmusik verkam, die Gitarrenriffs klar abgegrenzt neben Bass und Schlagzeug stellte und Sounds auf einem sauberen, digitalen Niveau reproduzierte. Mit Kyuss knirschen die Ecken wieder ein wenig. Und der Klang ihrer Instrumente ist so warm wie zuletzt in den 70er Jahren, als man noch Heavy Metal sagen konnte, ohne rot zu werden. Vielleicht werden Kyuss den Metal retten.

Dieses Bedürfnis teilen sie ganz sicher mit den Melvins. Deren Bande zum klassischen Metal wurden durch ein peinliches Mißverständnis aus den Gründungstagen der Band geknüpft: Schlagzeuger Dale Grover hielt Iron Maiden für eine Punkband. Daß ihre Vorstellung von Punkrock da etwas wirr geriet, ist leicht nachzuvollziehen. Daß dies aber in ihrer Heimat Aberdeen, einem kleinen Städtchen in der Nähe Seattles, zu solchen Auswirkungen führen sollte, schon weniger: Denn obwohl die Melvins einfach weiter ihrem Plaisierchen nachgingen, Metal zu verlangsamen und zu zerpflücken, wurden sie kurzerhand zu den Paten von Grunge erklärt – auch weil ein Mensch namens Cobain gerüchtehalber zeitweise Stammgast in ihrem Übungsraum war.

Da Grunge nun im doppelten Sinne tot ist, kann vielleicht endlich die akademische Leistung der Melvins gewürdigt werden. Daß sie nach Eigenaussage nur darin besteht, Kiss-Riffs langsam nachzuspielen, hat das Heer der Musikjournalisten nicht daran gehindert, sie mit einem wahnwitzigen Theoriegeflecht zu unterfüttern. Wie auch immer, dies ist der wichtigste Abend für karierte Hemden, lange Zotteln, eckige Bärte und mächtige Gitarrenriffs von hier bis immerdar. Thomas Winkler

Heute, 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg