„Ziemlich gut“ abgeschnitten

■ Die OrganisatorInnen der zapatistischen Meinungsumfrage in Mexiko sind mit der Beteiligung und den Ergebnissen zufrieden

Mexiko-Stadt (taz) – Während am Sonntag Zigtausende von Marathonläufern durch die Straßen der Smogmetropole Mexiko-Stadt keuchten, herrschte an den Infotischen der von der zapatistischen Guerilla initiierten „Nationalen Abstimmung für Frieden und Demokratie“ heitere Gelassenheit. Vor Kirchenportalen und Kinoeingängen, auf Marktplätzen und Parks – überall standen die Küchen- und Tapeziertische mit den improvisierten Pappurnen. Gutgelaunt verteilten frischgebackene „Funktionäre“ Stifte und Stimmzettel, forderten unentschlossene PassantInnen zum Mitmachen auf und erläuterten unermüdlich das Prozedere. Und rund 1,2 Millionen MexikanerInnen machten mit und bewegten sich zu einem der über zehntausend Wahltische, um dort ihr Einverständnis mit den Forderungen der Zapatistenguerilla zu demonstrieren.

Es waren längst nicht nur anpolitisierte StudentInnen oder erfahrene Politprofis, die sich ihren Daumen nach erfolgter Stimmabgabe mit unlösbarer Tinte bepinseln ließen. Auch Geschäftsleute, Nonnen und StraßenverkäuferInnen ließen sich immer wieder den Sinn der zapatistischen Volksbefragung erläutern. Auffällig: Die weibliche Dominanz, vor und hinter den Tischen. „Wenn Paare kommen, wissen die Frauen meist besser Bescheid“, berichtet Wahlhelferin Beatriz.

Die Eintagsfunktionäre nehmen es sehr genau mit ihrem Job: Immer mal wieder wurden Passanten ohne Ausweis freundlichst abgewiesen, auch zweite Stimmzettel wollte man trotz Bitten und Flehen nicht herausrücken. „Wir dürfen doch nicht das gleiche machen wie die PRI“, die Regierungspartei, rechtfertigt Wahlhelfer Gerardo die Prinzipientreue.

Ein Hoffnungsschimmer in all dem Schlamassel

Eine alte Frau liest langsam und sichtlich mühsam eine Frage nach der anderen und macht bedächtig ihre Kreuzchen. Nein, sie habe nie vorher „was mit Politik“ zu tun gehabt. Ob es sie nicht abschrecke, daß es eine bewaffnete Gruppe sei, die die Fragen stelle? „Ach was“, sagt sie, „wir stecken doch schon so tief im Schlamassel, daß es da auch nicht mehr drauf ankommt.“ Im Gegenteil, ein kleiner „Hoffnungsschimmer“ sei das.

Inhaltlich war man sich einig – fast. Denn während die Fragen nach den 16 Hauptforderungen, der Notwendigkeit einer oppositionellen Einheit und einer tiefgreifenden Politreform sowie der indirekten Quotenforderung für Frauen erwartungsgemäß fast einstimmig bejaht wurden, gingen die Meinungen über die politische Zukunft der Zapatistenguerilla auseinander. Mehr als die Hälfte der Befragten sprach sich für die Beibehaltung der zapatistischen Unabhängigkeit aus, nur etwas mehr als 40 Prozent befürworten den Zusammenschlaß mit anderen Organisationen. In Chiapas stimmten nach der ersten Teilauszählung sogar zwei Drittel der TeilnehmerInnen für die Autonomie der EZLN.

Von allgemeiner „Indifferenz“ berichteten dagegen am nächsten Tag die regierungsnahen Medien, deren Leitartikler durchweg die formale Repräsentativität der Umfrage anzweifelten. Angesichts der Tatsache, daß gerade mal drei Zeitungen – mit einer Gesamtauflage von maximal 200.000 – und ganze zwei Radiostationen vorab gelegentlich über das Bürgerplebiszit berichtet hatten, erscheint die Beteiligung den Alianza-Vertretern allerdings „beachtlich“. Immerhin habe man damit die 600.000 Stimmen, die die empörten MexikanerInnen im Februar für einen politischen Prozeß gegen den Ex-Präsidenten Salinas abgegeben hatten, mehr als verdoppeln können. Und im Vergleich zu den offiziellen Anhörungen zum Nationalen Entwicklungsplan, an dem sich trotz einer Dauer von 45 Tagen und „unendlich viel Ressourcen“ nur 350.000 BürgerInnen beteiligt hatten, schneide man sogar „ziemlich gut“ ab, fand Alianza-Vorstand Daniel Cazs. Anne Huffschmid