Mexikos Armee mordet

■ Amnesty-Bericht vorgelegt

Mexiko-Stadt (taz) – Eine hochkarätige Delegation von amnesty international (ai) bereiste drei Wochen lang Mexiko und legte am Mittwoch in der Hauptstadt der Öffentlichkeit ihren neuesten, für das Image Präsident Ernesto Zedillos vernichtenden Bericht vor. Man sei „außerordentlich beunruhigt“, so ai-Vizegeneralsekretär Derek Evans, über die „kontinuierliche und systematische“ Mißachtung der Menschenrechte im Lande – und das längst nicht mehr nur in Chiapas. Der Gerichtsmediziner Morris Tidball, langjähriger Mexiko-Beauftragter der Organisation, verzeichnet in der Amtszeit Zedillos gar „einen Netto-Anstieg schwerer Menschenrechtsverletzungen, die meisten davon politisch motiviert“. Allein in diesem Jahr wurden 40 Morde durch Armeeangehörige gezählt. Neben Oppositionellen, Indigenas und Frauen gelten für amnesty auch engagierte MenschenrechtlerInnen als hochgefährdete „Risikogruppe“ für staatlichen Machtmißbrauch. Eine beunruhigende Konstante in der mexikanischen Rechtspraxis sei außerdem die impunidad, die faktische Straffreiheit für Funktionäre, Polizei- und Justizbeamte.

Nun sind all die minituös dokumentierten Einzelfälle beileibe keine Ausrutscher. Die „schwerwiegenden Defizite“ und die mangelnde politische Unabhängigkeit des Polizeiapparats und des Justizsystems sind nach Einschätzung eines ai-Juristen ein hervorragender Nährboden für behördliche Willkür. Ein Beispiel dafür ist die Praxis, gewaltsam erpreßte schriftliche Geständnisse in Prozessen als Beweismittel zuzulassen. Denn Folter, so belegt der ai-Bericht, ist in mexikanischen Gefängnissen nach wie vor an der Tagesordnung. Anne Huffschmid