Wer hält die Klinge, und wer springt?

Emil Beck fürchtet um Leben und Werk: Nach Scheitern eines Gütetermins deutet sich im ersten Scientology-Fall des deutschen Leistungssports ein Musterprozeß an  ■ Aus Tauberbischofsheim Basil Wegener

Es sah nicht so aus, als ob eine staatsfeindliche Krake ihre Fangarme ausgerechnet in diesem fränkischen Örtchen ausgeworfen hätte: Die Tauber dümpelte friedlich wie immer am deutschen Fechtzentrum vorbei, im Städtchen drinnen schraubten die Männer vom Tauberbischofsheimer Bauhof lustige Weihnachtsilluminationen über die kopfsteingepflasterte Fußgängerzone. Derweil aber wurde im örtlichen Amtsgericht der erste Scientology-Fall des deutschen Hochleistungssports besprochen.

Am 19.Oktober hatte Emil Beck (60), der Cheftrainer des Deutschen Fechterbundes und Leiter des Tauberbischofsheimer Olympiastützpunktes, einen seiner Stellvertreter vom Dienst suspendiert und ihm zwei Wochen später schriftlich gekündigt: Bernd Lang (36) hatte bis dahin als designierter Nachfolger und Erbe des Beck-Imperiums gegolten.

Lang war in den Verdacht geraten, Mitglied der Scientology- Sekte zu sein. Er selbst bestreitet dies: Seine berufliche Existenz sei aus „Hysterie“ zerstört worden. Nun haben Beck und das Fechtzentrum größtes Interesse daran, den Fall Lang so schnell wie möglich abzuwickeln, auf daß ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen in Atlanta wieder trainingskontemplative Ruhe einkehre im Taubertal. Auch muß sich der gewiefte Mittelbeschaffer Beck in Zeiten, in denen das Fechten etwas aus dem allgemeinen Bewußtsein geraten ist, noch sorgsamer um seine Sponsoren bemühen. Doch aus der Ruhe wird nun nichts.

Zum Gütetermin vor der zweiten Kammer des Heilbronner Arbeitsgerichtes war der scientology- erfahrene Staranwalt Wilhelm Blümel höchstselbst aus München angereist. Blümel, der seit 15 Jahren in Scientology-Prozessen tätig ist, lehnte eine Auflösung von Langs Arbeitsverhältnis ab; auch gegen eine großzügige Abfindung. Am 30.Januar nun wird in Tauberschofsheim streitig weiterverhandelt. Anwalt Blümel ist nach eigenen Angaben kein Sektenmitglied, für die prozeßerfahrene Scientology-Gegnerin und Autorin Renate Hartwig aber eine „Schlüsselfigur“ des Konzerns. Der Fall, sagt Blümel, eigne sich womöglich für einen Musterprozeß gegen die systematische Verfolgung von Scientologen in Deutschland. Einen Weg durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht oder gar der Europäischen Menschenrechtskommission wollte er gegenüber der taz nicht ausschließen.

Emil Beck fürchtet nichts mehr, als dafür mit „meinem Lebenswerk“ herhalten zu müssen. Nervlich sichtlich angegriffen hatte er im Gerichtssaal Lang vorgeworfen, für die Scientology-Sekte unter den Tauberbischofsheimer Fechtern missioniert zu haben – was im Gegensatz zum reinen Bekenntnis zur Scientoloy-Lehre durchaus ein Kündigungsgrund sein kann. Schon vor zweieinhalb Jahren hatte Lang, der auch Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission des Fechtzentrums war, einen Kurs bei der scientologischen Unternehmensberatung AMK in Wiesloch absolviert. Möglicherweise gar ermuntert von Beck, der in der Materie damals relativ unbewandert war. Psychisch ziemlich entrückt kam er Beck danach vor und wurde daher von dem erst einmal in eine psychiatrische Therapie an die Würzburger UniKlinik geschickt.

Erst ein Anruf des Nachrichtenmagazins Focus im Oktober, sagt Beck, habe ihn auf die andauernden Scientology-Kontakte des Ex- Nationalfechters gestoßen. Auf Nachfrage lobte Lang nun mehrfach die Bücher des Sektengründers und ehemaligen Science-fiction-Autors L.Ron Hubbard („Dianetik“). In der Zwischenzeit will Beck zahlreiche Indizien dafür zusammengetragen haben, daß Lang sich im Olympiazentrum tatsächlich scientologisch betätigte. Einen Mitarbeiter des Fechtclubs und einen im Spitzensport bekannten Arzt soll Lang teilweise unter Drohungen dazu aufgefordert haben, ebenfalls „Kommunikationskurse“ abzuhalten. Ein von Lang verfaßtes „Arbeitspapier“ soll mit scientologischem Kauderwelsch bedeckt gewesen sein. Und ein Hausmeister soll beobachtet haben, wie Lang mit Säbelfechtern stundenlange Saunagänge durchschwitzte. Die sollen bei Scientologen Ansehen als Immunkuren gegen Atomstrahlen genießen.

Unterwandert die Psychosekte nun also den deutschen Spitzensport? Lang selbst äußerte sich zu all diesen massiven Vorwürfen im Gerichtssaal mit keinem Wort. Konnte im Vorfeld des Verfahrens seine Kommentarlosigkeit noch als taktisches Kalkül in einem arbeitsrechtlichen Streit interpretiert werden, so mutete seine in sich gekehrte Erscheinung neben dem eloquenten Streiter Blümel fast ein bißchen gespenstisch an. Einen Jugendtrainer wie Lang anzuwerben, würde jedenfalls in jenes Strategiekonzept passen, das ein erklärter Sektengegner, Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, im jüngsten Spiegel skizzierte: den Einzelnen per Gehirnwäsche manipulieren, Knotenpunkte der Gesellschaft, etwa Lehrer, kontrollieren, und so das gesellschaftliche Gefüge wie eine „Krake“ infiltrieren.

Mittlerweile hat sich auch der ehemalige Friseur Beck in spirituellen Bereichen kundig gemacht. Pathetisch wandte er sich im Gerichtssaal an seinen früheren Zögling: „... die Kinder, Bernd!“ Eine neuerliche Zusammenarbeit mit Lang schließt Beck kategorisch aus. Deutschlands oberster Fechter berichtet inzwischen gar von telefonischen Morddrohungen im Zusammenhang mit der Kündigung. Im Gerichtssaal beobachtete die Tauberbischofsheimer Kriminalpolizei die Vorgänge.

Bernd Lang aber öffnete nach dem erfolglosen Gütetermin doch noch für einen Moment seinen Mund, um mitzuteilen, daß er seine Fechtkarriere in Tauberbischofsheim durchaus noch nicht als beendet sehe. Ob es Scientology jedoch hierauf noch ankommt, ist fraglich.