Die Spur der Bombenleger führt in die Kasernen

■ Argentinische Armeeangehörige werden antisemitischer Anschläge verdächtigt

Rio de Janeiro (taz) – Die Spur der Attentäter führt in die Kasernen. Am Dienstag hat die argentinische Polizei einen weiteren Offizier unter dem Verdacht festgenommen, Sprengstoff für den Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum „Amia“ in Buenos Aires geliefert zu haben, bei dem im Juli vergangenen Jahres 86 Menschen getötet und 300 Personen schwer verletzt wurden. Insgesamt sitzen nun 15 Personen, unter ihnen 11 Angehörige der Armee, im Zusammenhang mit dem Attentat in Untersuchungshaft. In mehreren argentinischen Kasernen wurden Sprengkörper, Waffen und falsche Dokumente beschlagnahmt.

Argentiniens Präsident Carlos Menem hat vor der Presse die „Existenz von Anhängern rechtsextremistischen Gedankengutes“ innerhalb der Armee zugegeben. Die „Überreste nationalsozialistischer Inspiration“, so Menem, hielten sich hartnäckig, trotz gegenteiliger Bemühungen seit dem Ende der argentinischen Militärdiktatur 1983. Zwei der vorläufig festgenommenen Unteroffiziere hatten sich vor fünf Jahren an der Revolte der „Carapintadas“, einer Gruppe rechtsextremer Generäle, gegen Menem aktiv beteiligt.

Das Vertrauen der jüdischen Gemeinde Argentiniens in den Aufklärungswillen der argentinischen Regierung ist gering. Bis vor drei Monaten hatte die Polizei ohne jeden Erfolg im Umfeld des islamischen Fundamentalismus ermittelt. Nicht nur die Untersuchungen im Fall „Amia“ blieben lange ergebnislos, auch der Bombenanschlag auf die israelische Botschaft im März 1992, bei dem 29 Menschen ums Leben kamen, ist bis heute nicht aufgeklärt. Die jüdische Gemeinde Argentiniens ist mit rund einer halben Million Mitgliedern die fünftgrößte der Welt. Die Einwanderung begann Ende des 19. Jahrhunderts mit jüdischen Siedlern aus Osteuropa und erreichte ihren Höhepunkt während des Zweiten Weltkrieges. Zu diesem Zeitpunkt fanden Juden nur aufgrund politischen Drucks aus den USA Zuflucht in Argentinien. Nationalsozialisten dagegen waren willkommen.

Juan Domingo Perón, Argentiniens Präsident von 1946 bis 1955, verhalf mehr als tausend Kriegsverbrechern zu einer heimlichen Einreise und einer neuen Identität in Argentinien. Adolf Eichmann, Organisator der Judenvernichtung, wurde 1960 vom israelischen Geheimdienst Mossad nach Israel entführt und dort hingerichtet. Der SS-Arzt Josef Mengele, der „Todesengel von Auschwitz“, konnte in Argentinien nach 1945 bis zu seinem Tod im Jahre 1979 unbehelligt als Arzt praktizieren.

Letztes Beispiel ist der ehemalige SS-Offizier Erich Priebke, der im November nach Italien ausgeliefert wurde. Der 82jährige steht in Rom wegen seiner Beteiligung am Massaker in den Ardeatinischen Gräben im März 1944 vor Gericht, bei dem 335 Zivilisten getötet wurden (siehe Hintergrund Seite 22). Astrid Prange