Eine Lektion in marktwirtschaftlichem Einmaleins

■ Bayern hätte fast einen Zehnjahresvertrag mit der Bahn vereinbart. Ausgerechnet die Grünen zwingen den Wirtschaftsminister zum leistungssteigernden Wettbewerb

Mit der Regionalisierung sollen Wettbewerb und Marktwirtschaft auf deutschen Schienen Einzug halten. So sieht es das Gesetz vor. Und so verlangt es auch die EU ab 1998. Doch die deutsche Bahn AG (DB) hat, trotz gegenteiliger Beteuerungen, dafür gesorgt, daß nicht allzu viele Konkurrenten zum Zuge kommen. Im vorletzten Sommer veröffentlichte sie ihr Trassenpreissystem: Jeder, der einen Zug will, kann ihn haben – vorausgesetzt er zahlt für die Schienennutzung.

Die DB hat dafür gesorgt, daß sie selbst als ihr bester Kunde weitaus günstiger davonkommt als die Konkurrenten. Die müssen nämlich für jeden Nahverkehrskilometer etwa acht Mark zahlen, egal ob der Zug ein- oder zehnmal am Tag vorbeikommt. Nur für Großkunden gibt es Rabatte – und Großkunden hat die DB nur einen einzigen für ihre Schienen: die Deutsche Bahn AG.

Auch im Freistaat Bayern ist es mit den großen Worten von der Marktwirtschaft nicht weit her. Dort sollte am 21. Dezember 95, als der Parlamentsbetrieb schon ruhte, der „Verkehrsdurchführungsvertrag“ zwischen Bayern und der Deutschen Bahn AG unterschrieben werden. Als einen „unsäglichen Vertrag, der im allerletzten Moment noch gestoppt werden konnte“, bezeichnet ihn Christian Magerl, verkehrspolitischer Sprecher der bayerischen Grünen. Der Freistaat Bayern, der vermeintliche Musterknabe in Sachen freier Wettbewerb, war drauf und dran, mit der Bahn AG eine Laufzeit von zehn Jahren zu vereinbaren. Außerdem sind in dem sechsseitigen Papier nur äußerst schwammige Qualitätskriterien festgelegt.

Die Vorlage aus dem Wirtschaftsministerium trieb auch so manchem erfahrenen CSU-Politiker die Zornesröte ins Gesicht. Die Grünen hatten einen Dringlichkeitsantrag formuliert und den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, den CSU-Abgeordneten Ernst Michl, informiert. Und der reagierte prompt. Nach Rücksprache mit Finanzminister Huber wurde Wirtschaftsminister Otto Wiesheu zurückgepfiffen, die Vertragsunterzeichnung ausgesetzt.

„So geht's nicht“, ärgert sich der Haushaltsexperte Michl. „Eine Laufzeit von zehn Jahren kommt nicht in Frage, wo doch die anderen Bundesländer gerade mal zwei bis sechs Jahre abschließen.“ Außerdem müßten klarere Qualitätskriterien festgeschrieben werden, damit die Zeit der Rüttelzüge endlich ein Ende hat. Ferner müßten sich die Preisvorstellungen der DB AG deutlich ändern. Und es sei unbedingt eine Ausstiegsklausel in den Vertrag einzubauen.

Peinlich für Wiesheu, denn Michl wird in seiner Bewertung mehr als deutlich: „Ich verstehe nicht, daß der Wirtschaftsminister einer solchen Geschichte zustimmen wollte.“ Am 23. Januar wird das Kabinett noch einmal beraten und den Weg für Mitbewerber ebnen. Und Mitte Februar muß Minister Wiesheu vor dem Haushaltsausschuß Rechenschaft ablegen. Eine grobe Mißachtung des Haushaltsrechts wirft Christian Magerl dem Wirtschaftsminister vor. Und sein Fraktionskollege Raimund Kamm meint: „Es ist doch bezeichnend, daß wir Grüne den bayerischen Wirtschaftsminister zum leistungssteigernden Wettbewerb zwingen müssen.“ Annette Jensen/Klaus Wittmann