Von der Apartheid vertrieben

■ Barbro Isabel Bruhns erstellt jetzt für die neue namibische Regierung einen Bericht zur Situation Behinderter / BremerInnen in Namibia, Teil 1

Ein Promotionsprojekt führte die Bremerin Barbro Isabel Bruhns 1993 nach Namibia. Die neue Umgebung war der Behindertenpädagogin nicht fremd. Auf einer Farm bei Outjo lebte Bruhns bis zu ihrem zwölften Lebensjahr, ehe ihre Eltern nicht ganz freiwillig den Entschluß faßten, in die Bundesrepublik auszuwandern. Weil sie sich innerhalb der Kirche gegen das von der Besatzungsmacht Südafrika auch auf Namibia übertragene Apartheidsystem engagierten, waren Barbro Isabels Eltern unter den vielfach rassistischen Farmern als Kommunisten verschrien. Daß Familie Bruhns ihren schwarzen Angestellten Wohnraum stellte und bei festen Arbeitszeiten überdurchschnittliche Gehälter zahlte, war für die Großgrundbesitzer unfaßbar. „Die Nachbarskinder durften deshalb nicht mit mir spielen“, erinnert sich Bruhns.

Nach der Ankunft in Deutschland landete Familie Bruhns zunächst in Diepholz, ehe es sie in den Ruhrpott verschlug. „Bremen war einer meiner ersten Eindrücke, und es war für mich immer klar, nach meiner Schulzeit in Bottrop dorthin zurückzukehren“, erzählt Barbro Isabel Bruhns. Da die Universität in Bremen zudem als „Reformuni“ galt, fiel der Entschluß, in die Hansestadt umzusiedeln, leicht. Auf das Studium der Behindertenpädagogik folgten Jobs als Integrationshelferin im Kindergarten Hastedt und als psychosoziale Betreuerin beim städtischen Gesundheitsamt.

Ihre Arbeit beim Bremer Informationszentrum Afrika (IZA) bezeichnet Bruhns als „sehr wichtigen Teil meines Lebens“. Sie leitete hier ein Projekt zum Thema „Umweltzerstörung in Afrika und alternative Strategien“. Aus dieser Zeit stammen viele persönliche und politische Bindungen. 1993 schließlich bewilligte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ein Stipendium für eine Promotion über „Behinderte und Rehabilitation in Namibia“. Gemeinsam mit ihrem Freund Ulrich Bobinger zog Bruhns von Bremen in Namibias Hauptstadt Windhuk um. Der promovierte Physiker Bobinger arbeitet nach einem kurzen Intermezzo an der Universität heute als Lehrer an einer Privatschule.

Für ihre Doktorarbeit reiste Bruhns zwar durchs Land und recherchierte fleißig, geschrieben ist das Werk allerdings noch nicht. Nach einigen wissenschaftlichen Arbeiten für das namibische Erziehungsministerium kehrt die heute 32jährige jetzt wieder zu ihrem alten Spezialthema zurück. Im Auftrag des Gesundheitsministeri-ums erstellt sie zur Zeit eine Studie zur Situation Behinderter, die später als Grundlage für ein Regierungsprogramm dienen soll.

„Behinderte in Namibia sind weitgehend auf sich alleine gestellt“, faßt Bruhns ihre Erfahrungen zusammen. Zwar gibt es in der noch jungen Demokratie eine in Afrika fast einzigartige Sozialhilfe für Behinderte in Höhe von 130 namibischen Dollar (etwa 50 Mark). Doch sei diese finanzielle Unterstützung völlig unzureichend, da aufgrund fehlender sozialer Infrastruktur zumeist ein Familienangehöriger zur Betreuung eines behinderten Menschen zu Hause sein muß. Lediglich drei Schulen für Behinderte sind in dem dünn besiedelten Land, das etwa doppelt so groß wie die Bundesrepublik ist, in Betrieb. „Im restlichen Land haben behinderte Kinder oftmals keinen Kontakt zur Außenwelt, vielfach werden sie regelrecht versteckt“. Zur integrativen Erziehung gibt es für Bruhns deshalb „keine Alternative“.

Daß Rollstühle für den Durchschnitts-Namibier unerschwinglich sind, trägt zur weiteren Isolierung maßgeblich bei, erläutert Bruhns. Auch der Alltag sei nicht für Behinderte ausgerichtet. In der öffentlichen Planung, etwa beim Bau von Treppen oder Toiletten, würden die Belange Behinderter nicht berücksichtigt. Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit engagiert sich Bruhns bei „Sister Namibia“. Für Namibias einzige Zeitschrift „von Frauen für Frauen“, aus Deutschland von der bündnisgrünen „Anstiftung“ finanziell gefördert, redigiert und schreibt sie Texte.

Mit Wehmut erinnert sich Bruhns an Bremen. „Ich habe dort sehr gerne gelebt“, sagt sie. Und beim Gedanken an Spaziergänge mit ihrer Anfang des Jahres geborenen Tochter an der Weser kann sie nur mühsam Tränen unterdrücken. Nach Bremen bestehen noch viele Kontakte, die in Form intensiver Brieffreundschaften gepflegt werden. Eine ungewisse berufliche Zukunft schreckt noch vor der Rücckehr zurück. Aber irgendwann möchte Barbro Isabel Bruhns wieder in Bremen leben.

Danyel Reiche, Windhuk