Solidaritätsarbeit in Afrika hält jung

■ Pensionärin hat sich Entwicklungsarbeit zur Aufgabe im Rentenalter gemacht/ BremerInnen in Namibia, Teil 2

„Ich habe mir diese Arbeit zum Inhalt meines Rentenalters gemacht“, sagt Edith Schütt vom Bremer Verein Praktische Solidarität von Volk zu Volk (PSVV), der seit 1985 „entwicklungspolitische Solidaritätsarbeit“ für Namibia leistet. Nach jahrelangem Engagement ist die 73jährige Bremerin jetzt erstmals – „auf eigene Kosten“, wie sie betont – vor Ort in Namibia. Die agile Pensionärin verteilt im armen Norden des Landes, im Ovamboland, Hilfsgüter aus der Hansestadt.

Auch „gewöhnliche Leute“ wollte man für die sogenannte 3. Welt sensibilisieren, erinnert sich Gründungsmitglied Schütt an die Anfänge vom PSVV. Akademische Zirkel, die kluge Papiere zum Thema Nord-Süd schrieben, habe es genug gegeben. Statt dessen mangelte es an praktischer Solidarität, betont sie. Ihr Sohn Harald gehört ebenfalls zu den heute 55 eingeschriebenen Aktiven vom PSVV. Deshalb sei mit dem neuen Verein eine weitere Gruppierung im entwicklungspolitischen Zusammenhang aus der Taufe gehoben worden.

Auf Initiative vom PSVV sind seit 1985 in Bremer Arbeitslosenprojekten Produkte „für unsere Partner in Afrika“ hergestellt worden. Ausgangspunkt war die Tatsache, daß Güter aus Arbeitslosenprojekten nicht verkauft werden dürfen. „So wurden Produkte oftmals für die Schrottkiste produziert, die Teilnehmer der Projekte fühlten sich zu Recht nicht ernstgenommen“, berichtet Schütt. Das änderte sich, als etwa Hacken, Spaten und Äxte für die Feldarbeit, Schultafeln für den Unterricht, Karren zum Wassertransport, Sportgeräte oder Kinderspielzeug als Unterstützung für die namibische Bevölkerung angefertigt wurden. Das Selbstwertgefühl der arbeitslosen Jugendlichen sei binnen kürzester Zeit deutlich gestiegen. Gleichzeitig sei ihre Arbeit ein „Beitrag gegen Rassismus“ gewesen, betont Schütt.

Für die Menschen in Namibia schließlich waren die Bremer Güter „Hilfe zur Selbsthilfe“. „Wir haben nichts geliefert, das nicht auch tatsächlich vor Ort gebraucht und angefordert wurde“, betont Schütt, die „Solidarität statt Wohltätigkeit“ als Motto ihrer Arbeit ausgibt. 20 Container sind in der elfjährigen PSVV-Ära bislang nach Namibia geliefert worden. Neben der Verteilung der Produkte besucht Edith Schütt bei ihrem sechsmonatigen Trip auch die 15jährige Christina aus Tsumeb, der sie die Ausbildung finanziert. Das wie viele Kinder namibischer Befreiungskämpfer in der DDR aufgewachsene Mädchen kehrte auf Geheiß der SWAPO-Regierung nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 wieder in ihre Heimat zurück. Ohne Verwandte, die sich verantwortlich fühlten, stand Christina vor dem Nichts. Wegen der „unmittelbaren Notlage“ sprang Schütt damals ein und finanziert der jungen Namibierin seither mit rund 200 Mark monatlich Ausbildung und Lebensunterhalt.

Viele Bremer kennen Edith Schütt als Waffel- und Kaffeeverkäuferin von Straßen- und Stadtteilfesten. Mehr als 10.000 Mark hat sie dadurch bisher für die Arbeit ihres Vereins auftreiben können. Doch neben zäher Kleinarbeit diskutiert die ehemalige Studienrätin auch leidenschaftlich die „große“ Politik. Sie fordert einen „Schuldenerlaß für den Süden sofort“, eine „Wiedergutmachung für die koloniale Vergangenheit“ im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika und warnt vor der „Übertragbarkeit unseres westlichen Lebensstils auf die sogenannten Entwicklungsländer“.

Noch bis Juli will Schütt in Namibia bleiben, ehe sie in ihre Bremer Heimat zurückkehrt. Neben dem Nutzen für die Menschen sieht Schütt im übrigen einen weiteren Vorteil ihrer Arbeit als PSVV-Vorstandsmitglied und Bilanzbuchhalterin. „So bleibe ich auch fit“, sagt das älteste Mitglied der Bremer Entwicklungsgruppe.

Danyel Reiche, Windhuk