„Ich bin ein einfacher Story-Teller...

■ ...kein Revolutionstourist“ – Ein Gespräch mit dem Filmemacher Werner Herzog über sein Verhältnis zu Mexiko, Mysterien und Oliver Stones Interesse an Zapatisten

taz: Sie haben gesagt, alle Ihre Filme seien letztlich immer bayerische Filme. Was hat ein Bayer mit den Azteken zu tun?

Werner Herzog: Ich will mit dem Film nicht so tun, als würde ich in die Haut eines Azteken schlüpfen. Der Film kann ja gar nicht vorgeben, ein lateinamerikanischer oder gar mexikanischer Film zu werden. Ich habe einfach eine Perspektive gewählt, die sich von allen bisherigen unterscheidet.

Eine Mythologie Herzogs über die Conquista...

...o nein, ich mache keine Mythologien. Ich bin, wie man so schön sagt, einfach ein Story-Teller. Geschichte ist ja kein Gesetz. Zum Beispiel ist die Aztekenstadt Tenochtitlán bis heute ein Mysterium. Keiner weiß, wie sie in Wirklichkeit ausgesehen hat. Aus den Chroniken der Zeit wissen wir nur, daß sie ein wahres Weltwunder war. Also muß man diese Stadt in der Phantasie neu erfinden und wiederaufbauen. Das ist eine sehr interessante Herausforderung für das Kino – schließlich haben wir es mit Dimensionen zu tun, die fünfmal so groß wie „Cleopatra“ sind.

Frauen spielen in Ihren Filmen keine allzu große Rolle. Nun ist hier eine Ihrer Protagonistinnen, neben dem Aztekenkönig Moctezuma und dem Eroberer Cortés, die Prinzessin Malinche, die für die Spanier übersetzt hat und heute von vielen in Mexiko als Verräterin ihres Volkes gesehen wird. Was ist Ihre Version der Malinche?

Sie ist zweifellos eine entscheidende Figur in der Geschichte der Conquista. Frauenfeindlichkeit kann man mir übrigens nicht vorwerfen: Ich liebe und bewundere die Frauen, habe ja selbst Kinder. Auch wenn meine Filme sich tatsächlich eher auf Männer konzentrieren.

Und Moctezuma, der männliche Verlierer dieser Geschichte, ist er Ihnen sympathisch?

(lacht) Wir werden sehen.

Die Conquista ist, wie Sie selber gesagt haben, in Mexiko nicht wirklich abgeschlossen. Sie kennen das Land ja schon aus früheren Jahren [Vor langer Zeit, so will es die selbstgesponnene Legende, habe der junge Herzog sich eine zeitlang mit dem Schmuggel von Fernsehern und Waffen über die Nordgrenze gen USA über Wasser gehalten, d. A.].

...Mexiko zu kennen, ist unmöglich. Das sind ja mindestens fünf verschiedene Länder und Kulturen und Landschaften. Es ist in Wirklichkeit eine sehr komplizierte und sehr vielfältige Struktur.

Diese Vielfalt, vor allem im Hinblick auf die indianischen Kulturen, ist heute, zweieinhalb Jahre nach dem Aufstand der zapatistischen Indios in Chiapas, in Mexiko ja wieder hochaktuell.

Ja, aber ich beziehe mich mit meinem Projekt nicht auf die aktuelle politische Lage, ich träume schon sehr lange davon, einen Film über die Conquista zu machen. Die politische Lage verändert sich immer wieder, aber das Kino funktioniert anders: das hat mit unseren Seelen und unseren Träumen zu tun. Klar ist, daß die Conquista bis heute lebendig ist und noch immer die Herzen der Menschen bewegt.

Derzeit kommt eine Menge Prominenz in den lacandonischen Regenwald, um die Zapatistenarmee und vor allem Subcomandante Marcos zu besuchen. Neben Danielle Mitterrand und Regis Debray war auch Ihr Kollege Oliver Stone vor kurzem da. Wäre das nicht auch ein Stoff für Herzog?

Als Thema ist das sicher spannend, und der Subcomandante fasziniert mich vor allem als Literat, ich habe einige seiner Reden und Interviews gelesen. Er scheint ja außerdem ein Kinofan zu sein, jedenfalls kennt er offenbar „Fitzcarraldo“, da er in seinen Texten immer mal wieder auf dieses Wahnsinnsunternehmen, ein Boot über den Berg zu schleppen, anspielt. Also eine Rolle als Cortés oder Moctezuma habe ich ihm noch nicht angeboten... Nein, aber im Ernst, konkrete Pläne habe ich nicht. Und schließlich bin ich kein Revolutionstourist.

Das Gespräch führte Anne Huffschmid