Aus der Sahara nach Altenwerder

Sahrauische Kinder aus Algerien verbrachten einen Urlaub in Hamburg, dabei war  ■ Knut Henkel

Im Wasser plantschen ist für Aische, Darifa und ihre sieben sahrauischen FreundInnen, die derzeit in Hamburg zu Besuch sind, das größte Vergnügen. Jeden morgen nach dem Aufstehen stellen sie die gleiche Frage: piscina (Schwimmbad)?

Allzugern, am liebsten täglich würden sie an einen der Badeseen, in eines der Hallen- oder Freibäder fahren. Beim ersten Mal im kühlen Naß klammerten sich die 9-11jährigen noch ängstlich an ihre beiden sahrauischen BetreuerInnen – doch das ist längst vorbei, mittlerweile können sie einfach nicht genug kriegen, erzählt Jadiche, 30jährige Sahraui, die die Kinder begleitet.

Wasser ist knapp in der algerischen Wüste, wo die Kinder herkommen. Dort, im Südwesten Algeriens, unweit des Grenzortes Tindouf, sind die fünf Jungen und vier Mädchen in einem riesigen Flüchtlingslager aufgewachsen. Geflüchtet sind die 165.000 Sahrauis, die hier im algerischen Asyl leben, vor der marokkanischen Armee, die ihre Heimat – die Westsahara – seit nunmehr zwanzig Jahren besetzt hält.

„Für die Kinder ist es einfach unglaublich, daß hier Wasser im Überfluß vorhanden ist. Selbst wenn sie den Tag im Schwimmbad verbracht haben, stellen sie sich zu Hause oft gleich unter die Dusche“, sagt Dorle, die den Anstoß für die Einladung der Kinder durch die Hamburger Gruppe der „Gesellschaft der Freunde des Sahrauischen Volkes e.V.“ (GFSV) gegeben hat.

Bisher engagierte sich die Gruppe, die sich „Sahara Libre“ nennt, nahezu ausschließlich im Bereich technische Hilfe. Acht Jahre lang wurden Maschinen ins Lager verfrachtet und Sahrauis an ihnen ausgebildet. Im Januar kam dann die Idee mit der Kinderfreizeit auf. Der Ausschuß kirchlicher Weltdienste, Terre des hommes und auch der Bremer Senat wurden für ein Gros der Finanzierung gewonnen, der Rest soll durch Spenden bestritten werden.

Auf dem Programm, was die Gruppe für die vier Wochen entworfen hat, steht zuoberst die Erholung. „Die Kinder sehen und erleben hier so viele Dinge, die sie durch die Isolation in den Wüstenlagern nur vom Hörensagen kennen, daß wir ihnen genug Zeit lassen müssen, alles zu verarbeiten,“ meint Carsten, der den Kindern das Fahrradfahren im Zeltlager am Plöner See beibrachte. Dort waren sie die ersten beiden Wochen, konnten sich akklimatisieren, wurden neu eingekleidet, und auch ein befreundeter Zahnarzt kam zu Besuch.

Doch gebohrt werden sollte erst in Hamburg, wo die Kinder eine Woche bei Familien wohnen. Fünf Kinder und die beiden BetreuerInnen, Jadiche und der 27jährige Abeide, müssen sich nacheinander – die Kinder zum ersten Mal – behandeln lassen. Bei dem neunjährigen Hamada ist es besonders schlimm: mit vier Zähnen weniger klettert er weinend aus dem Behandlungsstuhl.

Am nächsten Morgen scheint bereits alles vergessen. Piscina? Zum Baden ist es heute zu kalt, außerdem hat die neunjährige Aische einen Schnupfen. Also geht's über Finkenwerder zum Altenwerder Fischerfest.

Mit großen Augen bestaunen die Sahrauis Hafen, Trockendocks, entgegenkommende Schiffe und lachen, als die Fähre polternd anlegt. In Altenwerder angekommen, werden die Picknickkörbe auf einer Wiese ausgepackt. „Obst, Nudeln, Kekse, aber auch Brot mögen die Kinder total gern. Gemüse kommt nicht so gut an,“ meint Sabine, die im Schanzenviertel im Kollektiv einen Kopierladen betreibt.

Nach dem Altenwerderschen Bluesrock, Dosenwerfen und Schminkenlassen steht am nächsten Tag die Fahrt nach Plön auf dem Programm. Damit beginnt die letzte Woche in Deutschland. Nur Darifa wird nicht mit nach Plön fahren: sie muß am Montag nach Bremen in die Kinderklinik, um dort von einem Augenspezialisten untersucht zu werden. Ein angeborener grüner Star hat ihr linkes Auge bereits erblinden lassen, und auch auf dem rechten kann sie kaum noch sehen.

„Wir möchten alles tun, damit Darifa nicht in ein, zwei Jahren ganz blind ist. Vielleicht nehmen die Ärzte ja nicht so viel Geld für die Behandlung“, hofft Sabine. „Bis jetzt haben alle Ärzte, bei denen wir mit den Kindern waren, sehr viel Entgegenkommen gezeigt.“

Spendenkonto: Freunde des Sahrauischen Volkes, Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20; Kontonummer 160 70-208