„Eine Art Stunde Null für Guatemala“

■ Guerilla-Comandante Gaspar Ilóm über das Militärabkommen mit der Regierung

taz: Wieso geht ausgerechnet mit der konservativen Arzú-Regierung der Friedensprozeß voran?

Gaspar Ilóm: Die vorigen Regierungen wollten nie wirklich verhandeln. Sie suchten immer die Konfrontation und lehnten all unsere Vorschläge ab. Jetzt haben wir es erstmals mit wirklichen Verhandlern zu tun, trotz aller Diskrepanzen.

Und woher plötzlich diese Verhandlungsbereitschaft?

Arzú will eine Modernisierung, und das in vielen Punkten durchaus kompatibel mit einem Demokratisierungsprozeß. Deshalb hat er ja auch alle traditionellen Verhandlungskanäle übersprungen und, sogar noch vor seiner endgültigen Wahl zum Präsidenten, direkte Treffen zwischen uns und ihm auf höchster Ebene gefördert. Dafür ist er von seinen Leuten sehr kritisiert worden, aber für uns war das ein Zeichen politischen Willens, wie wir auch denken, daß die gegenwärtige Armeeführung den politischen Willen hat.

Es kursiert ja, schon seit dem Abkommen über sozioökonomische Fragen, die These, daß die URNG von Arzú nach und nach neutralisiert werde...

Dasselbe sagen die anderen ja auch vom Präsidenten, daß er sich von uns hat über den Tisch ziehen lassen. Es gibt diese irrige Auffassung, daß das Ergebnis einer Verhandlung gleich die Unterzeichnung der Utopie sein muß. Aber es kann jetzt nicht darum gehen, alle unsere radikalen Forderungen durchzusetzen, von denen wir uns ohnehin schon vor vielen Jahren verabschiedet haben. Aber viele radikalisierte Gruppen brauchen offenbar ein wenig Zeit, um das zu verstehen. Auf der Welt haben sich so viele Dinge verändert, da können wir doch nicht einfach die Augen schließen und weiter in den gleichen Schemata denken, die manche von uns vor dreißig Jahren hatten.

Nach dem Friedensvertrag wollen Sie sich in eine Partei verwandeln. Was passiert dann mit den Waffen und vor allem den Kämpfern der URNG?

Ja, seit einigen Monaten arbeiten wir verstärkt an der Konversion vom bewaffneten Kampf zum politischen Kampf. Die Mitglieder der URNG wollen weiter politisch aktiv bleiben, die Integration in Arme und Polizei haben wir nicht in Betracht gezogen, und nur sehr wenige wollen sich einfach ins Privatleben zurückziehen. Wir wollen eine eigene Partei gründen, die am Aufbau einer breiten nationalen Front mitarbeitet, damit sich diese zum Ende des Jahrhunderts schließlich auch an den Wahlen beteiligen kann.

Ist nach einer so langen Zeit des Krieges so etwas wie eine Versöhnung im Nachkriegsguatemala überhaupt denkbar?

In dem Maße, wie wir es schaffen, die Grundlagen für ein neues Land zu schaffen, werden die Wunden heilen können. Wir sind nicht dafür, daß wir alles vergessen, was passiert ist, sondern dafür, die Vorkehrungen zu treffen, daß es niemals wieder passiert.

Eine Art Stunde Null für Guatemala?

In gewisser Hinsicht, ja, eine Art Stunde Null. Interview: Anne Huffschmid