"Liebe taz..." Selbst ein Urteil über die Wehrmachts-ausstellung bilden - betr.: "CDU kämpft für Landser-Ehre/Christdemokraten gegen Ausstellung über Wehrmachtsverbrechen", taz-Bremen vom 19./20.10.1996

Betr.: „CDU kämpft für Landser-Ehre/ Christdemokraten gegen Ausstellung über Wehrmachtsverbrechen“, taz v. 19./20.

Ich begrüße es sehr, daß die Ausstellung „Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-44“ in Bremen gezeigt werden soll. Als Bürgerin dieses Staates, der sich seine verbriefte Informationsfreiheit zugute hält, möchte ich mich auch über die Geschichte des Militärs informieren können.

Auf die vorzensurierende „Hilfe“ politischer Parteien kann ich dabei verzichten - ich kann selbst denken, kann mir selbst ein Urteil bilden über die Objektivität oder Parteilichkeit von Ausstellungen. Ich bin - werte Herren von der CDU - sogar in der Lage, falls nötig, die Einseitigkeit von Ausstellungen zu erkennen und mich damit kritisch auseinanderzusetzen, vor allem, wenn mir neben der Ausstellung auch noch Informationsveranstaltungen angeboten werden. Ich lehne den Versuch der CDU, diese Ausstellung zu verhindern, aufs schärfste ab!

Nebenbei bemerkt: Ich denke, daß die Untaten einer (möglicherweise) nur relativ kleinen Gruppe von Wehrmachtsangehörigen die Wehrmacht insgesamt weit mehr diskreditiert haben, als dies eine Ausstellung je tun könnte!

Inwieweit die Bundeswehr nahtlos an die Bundeswehr anknüpft, kann ich nicht beurteilen (da ich kein universitäres Institut bin, steht mir so eine Beurteilung wohl auch nicht gut an). Aber meines Erachtens spricht die Benennung einiger Bundeswehrkasernen nach SS-Leuten durchaus Bände - wenn man sich ausdrücklich von der Wehrmacht hätte abgrenzen wollen, hätte man mit allem Bedacht solche Benennungen vermieden; und die Umbenennungen, die Herr Altenburg hervorhebt, geschahen doch erst auf erheblichen Druck seitens der Öffentlichkeit und der Presse - sie waren kein Bedürfnis der Bundeswehr!

Und wie paßt es zur nicht vorhandenen Traditionslinie Wehrmacht - Bundeswehr, wenn in Dresden an einem Treffen von Rit-terkreuzträgern auch Vertreter der Bundeswehr teilnehmen wollen, und die Bundeswehr „ein Ehrenspalier als üblichen Rahmen für solche Veranstaltungen stellen“ will (Frankfurter Rundschau v. 19.10.96, S. 6: „Proteste gegen Ritterkreuzträger - Dekorierte Ex-Soldaten in Dresden/ Spalier der Bundeswehr“)? Ein Ehrenspalier für die Ritterkreuzträger - eine harmlos-freundliche Geste für harmlos-freundliche Alte Kameraden? („Das Ritterkreuz war 1939 von den Nazis als neue Klasse des Eisernen Kreuzes für den Zweiten Weltkrieg eingeführt worden. Insgesamt erhielten rund 7.300 Soldaten das Kreuz, darunter 430 Mitglieder der Waffen-SS. Über die Verleihung entschied Adolf Hitler persönlich.“ (FR, ebd.))

Eine Traditionslinie Bundeswehr-Wehrmacht wird durch derartige Aktionen weit deutlicher hergestellt, als dies eine Ausstellung je könnte! Ulla Schacht