Stadtpolitik verloren in Suburbia

■ Symposium: Das „Verschwinden der Städte“ und die Folgen

Die Kommunalpolitik in der Stadt und den Umlandgemeinden ist der Dynamik ausufernder Ballungsräume nicht mehr gewachsen. Dieses Fazit zog der Sozialwissenschaftler Thomas Krämer-Badoni im Vorgriff auf ein Symposium der Bremer Universität. Bis zum Wochenende werden 200 Wissenschaftler über das „Verschwinden der Städte“ debattieren.

Die Diagnose gelte für die meisten Städte Europas: Wohlhabende und junge Familien ziehen aufs Land. Es wird nicht mehr in die Stadt gependelt, sondern auch die neuen Jobs werden in den Nebenzentren des Speckgürtels geschaffen. Die Stadt zerfasert aufs Land hinaus. In den Städten zurück bleiben Alte, Arme und Einwanderer neben gut gesicherten Reichen-Ghettos und einigen dynamischen Liebhabern urbaner Lebenskultur. „Die Stadtpolitik muß diesen gesellschaftlichen Wandel zur Kenntnis nehmen und zur Regionalpolitik mutieren“, so der Regionalforscher Gerhard Bahrenberg.

Keine guten Bedingungen also für die Wachstumsziele der Großen Koalition (55.000 Einwohner und 40.000 Arbeitsplätze mehr innerhalb der Stadtgrenzen bis 2007), so Krämer-Badoni. Zur Zeit kehrten jedes Jahr 3.000 Menschen mehr Bremen den Rücken als sich neu niederließen. Die Jobs wandern mit: 14.000 Arbeitsplätze habe Bremen zwischen 1970 und 1987 ans Umland verloren, der Trend halte an, sagte Bahrenberg.

Weil gewerbliche Arbeitsplätze wegbrechen und Familien auseinanderfallen, bekommt laut Geograph Wolfgang Taubmann fast jede zehnte EinwohnerIn Bremens Sozialhilfe. Besonders hoch ist der Armen-Anteil in der Neustadt, in Gröpelingen und Osterholz.

Dabei sei die Hansestadt eine Ausnahme unter den deutschen Städten, so die Professoren übereinstimmend. Ein Wachstum der Stadt müsse nicht an fehlenden Flächen scheitern, erklärte Professor Bahrenberg und verwies auf das Blockland oder das Hollerland.

Doch alle Flächen helfen wenig, wenn eine weitere Prognose der Wissenschaftler eintritt: Nur wenige Städte in Deutschland wie Frankfurt und vielleicht Hamburg und München würden zu Zentren der Globalisierung werden und daher auch als Kernstädte wachsen und attraktiv bleiben. Bei den anderen werde die City gegenüber den regionalen Nebenzentren an Bedeutung verlieren. jof

Das Symposium „Verschwinden der Städte“ beginnt Donnerstag, 18 Uhr, mit einer Einführung im Rathaus. Vortrag: Karl Genser, Direktor der IBA Emscher Park. Samstag, 9 Uhr, werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen im Konsul-Hackfeld-Haus in der Birkenstraße vorgestellt. Vortrag von Marco Venturi, Stadtplaner aus Venedig.