Mexikanischer Bauernführer wurde verhaftet

■ Die Regierung feiert einen Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus. Sie hält Benigno Guzmán für den Kopf der EPR-Guerilla im Bundesstaat Guerrero

Als „ersten wichtigen Schlag“ gegen die Revolutionäre Volksarmee (EPR) feierte der Gouverneur des mexikanischen Bundesstaates Guerrero, Angel Aguirre, die Verhaftung des Bauernführers Benigno Guzmán. Dieser war Anfang der Woche als vermeintlicher „Rädelsführer“ der Guerilla in Mexiko-Stadt festgenommen und nach Guerrero transportiert worden. Sein Name sei von inhaftierten mutmaßlichen Guerilleros immer mal wieder „erwähnt“ worden, begründete das Innenministerium die Festnahme in einem knappen Kommuniqué.

Was nicht im offiziellen Statement stand, sind die näheren Umstände der Aktion: Nach Aussage der verstörte Ehefrau waren am Montag zwanzig schwerbewaffnete Männer in das Haus der Familie eingedrungen. Diese wiesen sich nicht etwa aus, sondern hätten nur die Gewehre gezeigt und den – unbewaffneten – Guzmán in seinem Zimmer überrumpelt. Unter Schlägen sei er in ein Auto ohne Nummernschilder verfrachtet worden, anschließend führte das Kommando in der Wohnung eine Mini-Razzia durch. Dabei wurden zwar keine Waffen gefunden, dafür aber hätten die „Beamten“ eine Reihe Fotos, Videos und Papiere mitgehen lassen.

Wie Guzmán später der Presse berichtete, sei er gefesselt und unter Drohungen nach den Führern der EPR und deren Waffenlager befragt worden. Beim zehnstündigen „offiziellen“ Verhör war dagegen – trotz der offiziellen Ankündigung, man habe einen „Kopf“ der EPR gefangen – von einer möglichen Guerilla-Mitgliedschaft gar nicht mehr die Rede. Statt dessen sollte sich Guzmán zu den gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen wie Verschwörung, Aufruhr, Sabotage und Aufwiegelung äußern, die er im Zusammenhang mit Protestaktionen der militanten Bauernbewegung OCSS begangen haben soll.

Schon wenige Tage nach dem ersten Auftritt der selbsternannten Volksrevolutionäre im Juni letzten Jahres hatte sich der OCSS-Gründer zumindest organisatorisch eindeutig distanziert: „Wir sind zwar mit vielen ihren Forderungen einverstanden, aber wir haben nunmal einen anderen, legalen Weg gewählt.“ Einen Tag nach der Festnahme teilte ihrerseits die EPR in einem Kommuniqué mit, daß der Verhaftete „nicht das geringste“ mit ihnen zu tun habe.

Trotz alledem lobte Regierungssprecher Dionisio Pérez Jácome am Dienstag einmal mehr „die Agilität und Effizienz“ der mexikanischen Terrorismus-Bekämpfung. Wirklich überraschend aber kam die Attacke gegen den prominenten Bauernführer, auf den schon lange diverse Haftbefehle ausgeschrieben sind, nicht. Seit ihrer Gründung vor drei Jahren wurde die OCSS von den guerrensischen Behörden immer wieder als „radikal“, „unversöhnlich“ und vor allem als „subversiv“ eingestuft. Nach dem Massaker in der Sierra von Guerrero am 28. Juni 1995, bei dem 17 Mitglieder der OCSS von einer Hundertschaft Polizisten regelrecht hingerichtet wurden, war Benigno Guzmán „aus Sicherheitsgründen“ mit seiner siebenköpfigen Familie in die Hauptstadt geflohen. Und seit dem Auftauchen der EPR vor einem halben Jahr habe er praktisch die Wohnung nicht mehr verlassen, so berichtete seine Frau, auch die Kinder seien nicht mehr zur Schule gegangen.

„Sie haben von Anfang an immer versucht, uns entweder als Drogenhändler oder als Guerilla zu disqualifizieren“, sagte Guzmán schon Anfang letzten Jahres, als sich die Gerüchte um bewaffnete Umtriebe in der Sierra noch gar nicht bestätigt hatten, in einem taz- Interview. Und: „Die einzige bewaffnete Gruppe, die ich in den Bergen kenne, ist die Militärpolizei.“ Nach OCSS-Angaben sitzen heute 10 ihrer Mitglieder als mutmaßliche Guerilleros hinter Gittern, weitere 23 sind in den letzten drei Jahren politischen Morden zum Opfer gefallen. Bauern- und Menschenrechtsgruppen aus ganz Mexiko bezeichneten die Festnahme Guzmáns als Teil eines „schmutzigen Krieges“ gegen die Opposition und gar als „möglichen Racheakt von Ruben Figueroa“. Der ehemalige Gouverneur und Intimfeind der guerrensischen Bauernbewegungen mußte im Frühjahr von seinem Amt zurücktreten, nachdem ein den Fernsehanstalten zugespieltes Video der Öffentlichkeit eine detaillierte Aufzeichnung des Massakers präsentierte. Etwaige rechtliche Schritte gegen Figueroa, den seinerzeit selbst die staatliche Menschenrechtskommission CNDH für den möglichen Drahtzieher der Massenhinrichtung hielt, wurden nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Anne Huffschmidt