■ Bundeswehr II: Der Einsatz in Tirana ist ein Präzedenzfall
: Deutsche Helden, armes Land

„Die deutschen Helden von Tirana“ – so titelte Bild am Sonntag ganzseitig und ließ „Die Soldaten berichten: So holten wir unter Beschuß 103 Menschen raus“. Diese Sprache ist abgestimmt auf ein politisch rechtslastiges Publikum, das es gerne sieht, wenn Deutschland „unverkrampft“ seine Soldaten einsetzt. Ein Publikum, das Überhöhungen und Verklärungen militärischer Gewaltanwendung liebt. Das Heldenvokabular mag auch eine „neue Lust am Martialischen“ befriedigen, zumindest bei autoritär strukturierten Menschen. Vielleicht stößt es – vermittelt – auch „Heldentaten“ wie in Detmold an, wo Soldaten mit Baseballschlägern auf ausländische Bürger einschlugen.

Gleichzeitig soll es uns an jene „neue Normalität“ des deutschen Nationalstaats gewöhnen, der militärisch wieder alles darf, weltweit. Angesichts der deutschen Geschichte konnten wir eigentlich hoffen, daß sich der Heldenbegriff endgültig verbraucht hat. Denn er löste sich seit dem 19. Jahrhundert immer mehr von seiner einstigen Bedeutung: die vorbildliche Tat des einzelnen zum Schutze anderer. Der Heldenbegriff inflationierte. Zuletzt wurde er dazu benutzt, sinnloses Massensterben – etwa im Kessel von Stalingrad 1942/43 – mit einer Gloriole zu umgeben.

Diese Erfahrung brachte Bertolt Brecht auf den Punkt: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“ Das gilt noch immer. Heute besteht wohl nicht die Gefahr, daß von den Bürgern in einem großen Krieg massenhaftes „Heldentum“ nach dem Muster der Weltkriege dieses Jahrhunderts verlangt würde. Die Gefahr wird gleichsam an eine Profitruppe delegiert – und damit auch das Nachdenken über die Remilitarisierung der deutschen Außenpolitik. Aber gerade die definitive Unvergleichbarkeit gegenwärtiger Entwicklungen mit früheren Formen staatlicher Gewalt scheint viele blind zu machen für die Botschaften, die von neuerlichem Heldengeschwätz ausgehen.

Das Herausfliegen von 103 Menschen aus Tirana mag eine verantwortbare Hilfsaktion gewesen sein. Allerdings wüßte man schon gern, warum keine frühere Evakuierung in Erwägung gezogen wurde und ob es keine zivilen Alternativen gab. Eine verantwortliche Opposition müßte das im Bundestag mit aller Gründlichkeit zu klären versuchen. Denn selbstverständlich haben wir es mit einem Präzendenzfall zu tun. Je mehr Glanz auf erfolgreiche Militäreinsätze dieser Art fällt, desto geringer werden die Anstrengungen sein, gewaltfreie Konfliktlösungen zu praktizieren. Wolfram Wette

Der Autor ist Historiker und Privatdozent