CDU verzichtet auf Gegendemo

■ Die angefeindete Wehrmachtsausstellung wird nach Debatte im hessischen Landtag im April in der Frankfurter Paulskirche gezeigt

Wiesbaden (taz) – Nach der Debatte um die Wehrmachtsausstellung gestern im hessischen Landtag steht fest: Die von Rechtsradikalen, der CSU und Teilen der CDU desavouierte Schau wird im April in der Frankfurter Paulskirche zu sehen sein. Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) wird die Ausstellung zusammen mit dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis (FDP), eröffnen. Die CDU verzichtet zumindest auf eine – von deren Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach geforderte – Gegendemonstration.

Für den sichtlich bewegten Ministerpräsidenten hat die Debatte um die Ausstellung, in der eigentlich nichts gezeigt werde, was nicht schon vorher bekannt gewesen sei, deutlich gemacht, daß es bestimmte Teile der Gesellschaft noch immer nicht aushalten könnten, mit den dort gezeigten Wahrheiten konfrontiert zu werden. Gerade die Heftigkeit der Diskussion, so Eichel, sei Beleg für die Notwendigkeit der Ausstellung. Eichel kämpfte mit den Tränen, als er von seinem Vater berichtete, der als Wehrmachtssoldat auf dem Balkan habe kämpfen müssen. Nach dem Krieg sei er davon überzeugt gewesen, daß Deutsche dort „nie wieder hingehen“ dürften. „Und mein Vater nahm nie wieder eine Waffe in die Hand.“

Die Sozialdemokratin Anita Breithaupt (60) hatte zuvor den Kritikern aus den Unionsreihen vorgehalten, heute könne niemand mehr bestreiten, daß die Wehrmacht „an ihrer Spitze, mit Truppenteilen und mit Soldaten“ in nationalsozialistische Verbrechen verstrickt gewesen war.

Auch die Vorsitzende der Landtagsfraktion der FDP, Ruth Wagner (56), die gleichfalls bewegend erzählte, daß ihr Urgroßvater im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 starb, ihr Großvater im Ersten Weltkrieg fiel und ihr Vater im Zweiten Weltkrieg sein Leben ließ, votierte für die Ausstellung. „Diese Wahrheit, daß auch Teile der Wehrmacht, ganze Einheiten, einzelne Offiziere und Soldaten Kriegsverbrechen begangen haben, soll nicht nur geschrieben, sondern auch in Ausstellungen dokumentiert werden.“ Wagner plädierte für Begleitveranstaltungen zur Ausstellung, denn das Hamburger Institut für Sozialforschung werde der Differenzierung, daß nicht jeder Soldat an Verbrechen beteiligt gewesen sei, „weitgehend nicht gerecht“. Daß solche Veranstaltungen stattfinden sollen, hatte zuvor schon der Ältestenrat des Landtages beschlossen – und wird vom Hamburger Institut auch selbst gewünscht. So blieb die CDU mit ihrer ablehnenden Haltung im Landtag isoliert. Deren Fraktionsvorsitzender Roland Koch (38) befand es nicht für nötig, sich von den Hetztiraden Peter Gauweilers (CSU) und Alfred Dreggers (MdB/CDU) gegen die Ausstellung zu distanzieren. Grünen-Fraktionschef Alexander Müller (41) erinnerte an den CSU- offiziösen Bayernkurier, der die Schau als „moralischen Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Volk“ bezeichnet hatte. Damit sei die Grenze zwischen der Union und den „Republikanern“ „porös geworden“. Müller fragte sich und andere: „Wird da vom Rand der Union aus etwa eine neue Sammelbewegung von rechts unterstützt?“ Klaus-Peter Klingelschmitt