Der Euro – eine müde Mark?

■ Eine probeweise Einführung des „Berlin-Euro“ als Zahlungsmittel soll die Berliner auf den Eurogeschmack bringen. Von Euphorie keine Spur, weil es dafür nur Haushaltswaren gibt

Berlin, vier Tage vor der probeweisen Einführung des „Berlin- Euro“: Eine große Aktionswoche soll es werden. Eine eigens angefertigte Euro-S-Bahn soll im Rahmen der Eurowoche zwischen Strausberg und Charlottenburg fahren, am Roten Rathaus sollen Bratwurst und Bier nur gegen kupferne 1,5-Euro-Medaillen, messingfarbene 2,5-Euros und silberne Euro-Zehner verkauft werden. Die Landesbank Berlin hat bisher von den 1,3 Millionen geprägten „Berlin-Euros“ 100.000 Stück zum Kurs 1:2 verkauft. In der Aktionswoche zwischen dem 2. und 11. Mai sollen die Geschäfte in der City West und Ost ihre Europabegeisterung über Geschäftsinteressen stellen.

Auch wenn die Organisatoren damit werben, daß in der Aktionswoche neben dem Europa-Center und dem KaDeWe auch die Geschäfte rund um den Alex Euros in Zahlung nehmen, sieht es am Alex ziemlich mau aus. Im Kaufhof kann man nur Haushalts- und Glaswaren gegen Euros kaufen. Also gut, Sektkelche gegen Euros für die Damen. Und für die Herren? Im nahe gelegenen Casino Berlin kriegt der junge Mann am Wechselschalter große Augen. „Ach, der Euro, diese Geldvermehrung?“ fragt er und versucht vergeblich, im Sekretariat an Informationen heranzukommen.

Im „Biergarten Alex“ hat der Kellner zumindest schon mal von der Euro-Woche gehört. „Aber das sind ja noch nicht die echten“, weiß der Schlaumeier zu erzählen. Im Forum-Hotel ist zu erfahren, daß sich die Interconti-Hotels am 5. Mai in die Euro-Woche einklinken. Mit Euros ein Zimmer zu bezahlen scheint eher unwahrscheinlich. „Bei Essen und Trinken kann ich mir das vorstellen“, so der PR- Manager. Er glaubt aber, daß ein „mittelprächtiger Souvenirladen“ besser geeignet wäre für solch eine PR-Aktion als ein Tausend-Betten-Hotel. Daß er nicht ganz falschliegt, zeigt ein Aushang in der Hotelhalle mit dem Zeitplan für eine „European Surprise“- Reise: 6.45 Uhr Wecken, 6.30 Uhr Frühstück.

Der Losverkäufer am Alex dagegen glaubt schon, daß die Euro- Woche ein guter „Vorlauf“ für die Währungsunion sein könnte. Doch persönlich hält er nichts davon. „Erst die Reichsmark, dann der Zusammenbruch, später die Ost- und Westmark und jetzt der neue Scherz mit der Euromark“, sagt er. „Mir schmeckt das nicht.“

Das Europa-Center scheint sich allein mit seinem Namen zu begnügen. Außer der Kneipe „Europa- Treff“ und dem Kino „Europa- Studio“ ist von Europa keine Spur. Der türkische Schuhputzer, der seinen Schuhthron erst kürzlich für 5.000 Mark aufgepeppt hat, wird auch in der Euro-Woche nur gegen D-Mark Leder wienern. „Ich akzeptiere das nicht“, sagt er. Er glaubt, daß es eine „Revolution“ geben wird, wenn der Euro kommt. „Eine Waffe habe ich schon“, erzählt er. „Die Munition kaufe ich mir dann.“ – „Für Euro“, witzelt sein Kumpel.

Im KaDeWe scheint man eine eher süße Vorstellung von Europa zu haben. Lediglich im „Wiener Café“ kann man ab Samstag mit Euro einkaufen. Doch die Verkäuferinnen wissen von nichts. „Ich hoffe nicht, daß hier Euros angenommen werden“, sagt eine. „Ich habe noch nicht mal eine Kassenbelegung.“

Nur einem Verkäufer der Obdachlosenzeitung Platte, der neben dem Europa-Center steht, ist es völlig egal, was auf den Münzen steht. „Das Entscheidende ist, was ich dafür kaufen kann“, sagt er und verkauft ein Exemplar für eine 1,5- Euro-Münze. Barbara Bollwahn