■ Jetzt sind auch die deutschen Metzger im Europafieber
: Integration mit Wurst

Tübingen (taz) – Der Euro kommt, die EU wird erweitert und vertieft, kurz: In Europa geht's um die Wurst. Doch in der Wurst soll es künftig auch um Europa gehen. Jetzt nehmen sich die Metzger der europäischen Einigung an.

Der rechte Weg in und für Europa ist aber nicht leicht zu finden. Als internationale Fleischfunktionäre dieser Tage nach Tübingen gereist waren, mußten sie im unübersichtlichen Schulzentrum die „Avantgard der Eurometzger“ erstmal heftig suchen. In der High- Tech-Wurstküche der Schule fanden die Wurster dann zusammen. Mit integrationsfreundlichen Worten eröffnete der Tübinger Metzger Horst Wizemann das „Erste europäische Seminar“ der Metzger-Avantgarde: Die Reisenden in Sachen Wurst sollten später mit Europa- Fieber heimfahren, sagte er, „so daß sich die Europa-Epidemie ausbreitet“.

Seit sechs Jahren fiebert Horst Wizemann selbst schon; er möchte seine bodenständigen Kollegen ins vereinte Europa mitnehmen und hat schon viele Kontakte geknüpft. Weil sie sich also als Vorreiter des europäischen Gedankens verstehen, nennen sie sich „Avantgard“, leicht angeschrägt ohne „e“ am Ende. Überhaupt haben die Metzger vor den bösen Sprachproblemen in Europa ziemlich Angst. Aber: „Wir haben das Glück, daß bei uns fast alle Deutsch können“, betont Metzger Wizemann.

Als alle Metzger da waren, bekannte sich auch der gastgebende Schulleiter, Oskar Meyer, zum Transnationalismus: „Das ist echtes Europa, nicht das, was die Eurokraten in ihren Büros machen. Zusammenkommen können wir nicht im politischen Bereich.“ Da saßen sie nun, die Herren und einige Damen aus dem Fleischereigewerbe und der Gastronomie. Was also tun? Letztlich geht's in Europa bekanntlich ums Geschäft, und so hörten sie zu, wie sie ihres besser machen können. Ein holländischer Metzgereibedarfproduzent erläuterte, was er dazu beitragen kann, und tat damit auch was für sein Geschäft.

Der Mann rieb unheimliche Mengen Schweinespieße und Steaks mit allerlei bunten Gewürzen und Marinaden ein. „Spareribs sind seit Jahren ein großes Produkt in Holland, das kommt mehr und mehr“, gab er bekannt und bestreute dabei Rippchen mit einem gelben Puder („Tropical“, Art.-Nr.: 2954180). Dann reichte er die Rippe seinem deutschen Verkaufsboß, der sie mit „Sauce Marinade Smokey Joe“ (Art.-Nr. 1805525) einrieb. Gegrillt wurde im Hinterzimmer. Die Sachen waren wirklich lecker.

Ob das Projekt den Metzgern aber hilft, ihren europäischen Standort zu sichern, bleibt abzuwarten. Die Märkte für Schweinereien sind in vollem Maß von der weltweiten Globalisierung betroffen, und sicher hängt die Entwicklung auch vom Ausgang der Bonner Steuerverhandlungen ab. Metzger Wizemann jedenfalls sagt, überleben könnten langfristig eher die teuren oder die ganz billigen Metzger.

Ein Wirt aus Wels in Österreich konnte dem Seminar der „Metzger-Avantgard“ nichts abgewinnen wegen der Konkurrenz der Metzger zu den Gasthäusern. „Bald gibt es ja keinen Kleiderhändler mehr, der nicht auch noch eine Imbißecke hat“, sagte der Österreicher. Basil Wegener