Des Deutschen liebster Neger

Harmlos verrucht ließ er die Hüften kreisen, heute sitzt er auf allen Tennisplätzen dieser Welt – Roberto Blanco wird 60. Ein Geburtstagsgruß  ■ Von Jan Feddersen

Er ist immer mit von der Partie. Man sieht ihn bei wichtigen Tennismatches, wenn die Kamera zu den Promi-Logen hinüberschwenkt, und auch sonst ist kein Objektiv so klein, daß es ihn ignorieren könnte. Auch wenn er nicht auf der Bühne steht, Roberto Blanco ist präsent, und sein Bekanntheitsgrad liegt noch vor dem des teutonischen Barden Heino. Selbst Freddy Quinn ist nicht mehr so prominent wie dieser Mann, der morgen 60 Jahre alt wird und dem die ARD heute ein einstündiges Special in der ersten Reihe gleich nach der Tagesschau widmet: „Heute so, morgen so“.

Der Titel ist bewußt doppeldeutig gewählt: So hieß Blancos Schlager, mit dem er 1969 die Deutschen Schlagerfestspiele gewann, als das leichte Liedgut auf dem deutschen Popmarkt schon passé war. Nur deshalb wohl durfte Blanco, in Tunis geborener Sohn eines kubanischen Varietékünstlers, damals mitmachen. Die Großen der Branche waren sich entweder zu schade (Peter Alexander) oder zu abgehalftert, als daß sie sich diesem Wettbewerb noch stellen wollten: So konnte der Schwarze ran.

Eben der, den die Programmplaner noch Jahre zuvor nicht ins Rennen schicken wollten, weil ein schwarzhäutiger Sänger den deutschen Zuschauern nicht zumutbar wäre. Schon gar nicht einer, der anders als der singende Trompeter Billy Mo keine Lust auf Tirolerhüte hatte, sondern viel lieber die Hüften kreisen ließ und damit auf eine für das deutsche Fernsehen irritierende Art so etwas wie Sex ausstrahlte.

Dementsprechend klang denn auch sein Titel „Heute so, morgen so“ eher rhythmisch und nicht getragen, luftig und leicht statt dumpf oder dramatisch – doch nicht bedrohlich feucht im Tanzschritt. Seitdem ist Roberto Blanco aus dem deutschen Kleinbürgergesellschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Und, wichtiger noch für die weitere Entwicklung zu einer multikulturellen Anmutung der Bundesrepublik: Blanco wirkte so sympathisch, so augenzwinkernd und harmlos verrucht, daß er zum liebsten Neger der Deutschen avancieren konnte.

Blanco versteht sein Handwerk. Er kann singen, gut singen sogar, live sowieso. Zu tanzen versteht er ebenso, ohne daß es so aussieht, als hätte er Stunden zuvor noch ein Training absolvieren müssen, um hernach nicht über Bühnenkabel zu stolpern. Dieses Kapital konnte er nutzen. Anfang der siebziger Jahre sang er sogar zwei bis vier popmäßige Stücke, ehe er sich endlich als tauglich für betriebliche Galas profiliert hatte. Erfolgreiche deutsche Coverversionen von Tom- Jones- oder Tony- Christie- Schlagern („Der Puppenspieler von Mexiko“, „Las Vegas“) ließen das Telefon seiner Agentin dauerschellen. Da Blanco auch entertainen konnte, war er die ideale Besetzung für Betriebsfeste wie das Treffen der Pharmazie-Vertreter Nordbaden oder den Stammtisch des mittleren Managements von Boehringer. Denn der fast-exotische Sänger konnte zudem nicht nur unterhalten, sein Witzniveau bewegte sich stets auf einer Höhe, die zu erklimmen auch einem höheren Angestellten ohne Bildungshintergrund nicht verwehrt war.

Sein beliebtester Scherz stammt aus dem Jahre 1973. Damals sang er auf einer Feier der Christ-Sozialen Union in Bayern. Als er sich, vollbedreßt in einem rüschigen Revueanzug, ganz so, als sei Las Vegas auch im tiefen Bayern beheimatet, zu Franz-Josef Strauß an den Tisch stellte und die Photographen deshalb ganz aufgeregt wurden, sagte Roberto Blanco: „Wir Schwarzen müssen zusammenhalten.“

Seither gilt der Mann „mit den kubanischen Wurzeln“ als Freund der deutschen Konservativen. Das war im Grunde eine kecke Geste, denn damals erklärten nicht nur Schlagerdamen wie Katja Ebstein, ein Herz für die SPD zu haben. Blanco hingegen wußte immer, wo seine Kundschaft sitzt: dort, wo der liberalkonservative Zeitgeist der Deutschen am ehesten lebt – rund um die Christdemokratie.

Roberto Blanco läßt noch heute jede Leidensattitüde völlig vermissen. Ein Politengagement wie Harry Belafonte wäre nie seine Sache gewesen. „Ich bin als Schwarzer nie diskriminiert worden – mich haben die Menschen immer gemocht, weil ich so fröhlich bin.“ Also ein Onkel Tom der freiheitlich-demokratischen Grundordnung? „Nein, die Menschen wissen ganz einfach, was ich leiste und daß ich ihnen Spaß bringe.“

„Ein bißchen Spaß muß sein“. Auch wenn es Roberto Blanco nie bis ganz nach oben schaffte. Schlagerolympische Höhen zu erreichen wie Howard Carpendale oder Roland Kaiser war ihm nie vergönnt: Blanco war immer der nette, freundliche, spaßige, niemals schlechtgelaunte und streßabholde Sänger aus der zweiten Reihe. Deshalb ist das Staraufgebot, das die ARD heute zu seiner Geburtstagssendung aufbietet, konsequent: Es sind Frauen und Männer wie Marlene Charell, Elisabeth Volkmann, Julia Biedermann, Wilhelm Wieben, Heinz Eckner und Gunter Emmerlich. Selbst Wolfgang Lippert tut man ihm an. Ein Sternchen wie Roberto Blanco, aber unverzichtbar für jede zweite Reihe und doch immer etwas unterbelichtet von den Scheinwerfern, die den Big Points der Branche vorbehalten bleiben.

„Heute so, morgen so – Roberto Blanco zum 60. Geburtstag“, 20.15 Uhr, ARD