Schneller und billiger vom Markt

Die internationalen Autokonzerne produzieren bald 22 Millionen Autos im Jahr zuviel. Sie glauben dennoch an grenzenlose Expansion  ■ Von André Kunz und Annette Jensen

Die internationalen Autokonzerne sind im Absatzfieber. Fast 52 Millionen Laster, Pkws und Kombis haben sie im vergangenen Jahr weltweit produziert. Und die Nachfrage wächst, vor allem in Asien und Lateinamerika. Schneller noch als die Nachfrage wachsen die Fließbandstraßen. Wenn alle Pläne verwirklicht werden, dann können zur Jahrtausendwende 22 Millionen Fahrzeuge mehr produziert werden, als abzusetzen sind, hat der Economist errechnet. Dabei fahren heute schon viele Fabriken unter ihrer Kapazität – und erst bei einer Auslastung von 80 Prozent wird es richtig lukrativ.

Alle Autokonzerne der Industrieländer sind stark exportabhängig. Doch nicht nur durch Direktexport gelangen die Wagen auf ferne Straßen. Deutsche Firmenlogos leuchten über Fabriken in Brasilien, den USA, China und Südafrika. Die Konkurrenz verfolgt dieselbe Strategie: Japanische Autokonzerne fertigen in Mexiko, Großbritannien und Spanien, der südkoreanische Daewoo-Konzern hat sich in Polen, Rumänien und Usbekistan eingerichtet. Ein harter Kampf um die Kunden ist absehbar. Doch alle, so scheint es, sind davon überzeugt, daß im Zweifel die anderen vom Markt fliegen (siehe VW-Interview).

Globale Überkapazitäten – das klingt für die asiatischen Autobauer wie eine Herausforderung, noch günstiger und zu noch besserer Qualität mehr Fahrzeuge anzubieten. So sehen es die größten japanischen Autokonzerne Toyota, Nissan, Honda und Mazda. Die letzte große Revolution in der Produktionstechnik – die schlanke Produktion – leitete Toyota vor zehn Jahren ein und senkte die Produktionskosten pro Fahrzeug um zweistellige Prozentpunkte. Die Europäer zogen nach. Der japanische Absatz sank in Deutschland seit 1991 um mehr als die Hälfte auf 240.000 Fahrzeuge. In einigen europäischen Ländern behindert allerdings die freiwillige Exportbeschränkung der Japaner den Verkauf. „In Frankreich hatte mein Kollege schon im Juli sein gesamtes Kontingent verkauft“, sagt ein Nissan-Sprecher. Diese Exportbeschränkung läuft 1999 aus. Bereits nächstes Jahr wird Toyota die nächste Revolution auslösen und damit die Konkurrenz unter Druck setzen. Dann nämlich wird der Konzern seine Autos mit einem Motor ausstatten, der 30 Prozent weniger Teile benötigt als bisher. Die Produktionskosten pro Fahrzeug sollen abermals um 15 bis 20 Prozent sinken.

Damit bereitet sich Toyota auf einen Preiskrieg vor, den der Konzern vor allem in Europa und Asien austragen will. In Europa will Toyota bis zum Jahr 2000 allein 25 Prozent mehr verkaufen. 34 verbesserte oder neu entwickelte Fahrzeuge sollen in den nächsten drei Jahren auf den Markt fahren. In Europa soll die Produktion bis zum Jahr 2000 von heute 450.000 Fahrzeugen auf 600.000 steigen.

Anfang Mai besuchte Toyota- Chef Hiroshi Okuda Frankreich, England und Polen als mögliche Standorte für ein neues Werk. Im nächsten Jahrhundert sollen dann jährlich 100.000 Autos Modell „Starlet“ für den europäischen Markt vom Band rollen. Noch rasanter wird in Südostasien ausgebaut: Toyota will noch in diesem Geschäftsjahr die Produktion von 370.000 Fahrzeugen auf 475.000 heraufschrauben, um ein Viertel des Markts zu bedienen. 28 Milliarden Mark will der Riese in den nächsten fünf Jahren investieren.

Auch Honda will die Produktion in seinem britischen Werk Swindon bis zur Jahrtausendwende von heute 120.000 auf 200.000 Stück hochfahren. Ein verbesserter „Civic“ soll dank rationellerer Fertigungsmethoden ab 1998 rund 900 Mark billiger vom Band rollen. Damit verfolgt Honda eine ähnliche Strategie wie Toyota: bessere Qualität zu günstigerem Preis.

Mazda dagegen war der erste japanische Autobauer, der im Frühjahr eine Allianz mit dem amerikanischen Autokonzern Ford eingehen mußte, um zu überleben. Mazda konzentriert sich auf den südostasiatischen Markt, wo mit Ford die Produktion verdoppelt werden soll.

In Süd-Korea drängt nicht nur Samsung auf den Markt. Auch der viertgrößte südkoreanische Familienkonzern Daewoo weist auf seine Strategie mit dem Slogan „in die Welt hinaus, in die Zukunft“ hin. Daewoo soll bis zur Jahrhundertwende unter die zehn größten Autobauer der Welt aufsteigen. Derzeit belegt Daewoo Platz 18. Die Expansion soll in Indien, China und Osteuropa geschehen. In drei Jahren soll die Produktion von heute 1,7 Millionen Autos auf 2,5 Millionen gesteigert sein.

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