■ Mit einfachen Tricks haben sich Zentralamerikas Militärs ganze Wirtschaftsimperien aufgebaut. Das Beispiel gab Honduras Von Toni Keppeler
: Kapitalisten im Kampfanzug

Noch vor zehn Jahren befanden sie sich allesamt im Krieg. Nicaraguas Sandinistisches Volksheer verteidigte die Revolution gegen die US-finanzierten Contras, die wiederum wurden von der honduranischen Armee unterstützt, und die Militärs in Guatemala und El Salvador hatten mit der Bekämpfung der jeweiligen linken Guerillaverbände alle Hände voll zu tun. Die Bürgerkriege sind vorbei – doch von der politischen Bildfläche verschwunden sind die Uniformierten nicht. Die Armeen wurden verkleinert – doch die Militärs haben für Friedenszeiten bestens vorgesorgt. Mit den Geldern der soldatischen Rentenkassen haben sich die Generäle ansehnliche Wirtschaftskonglomerate zusammengeschustert, ganze Wirtschaftszweige werden von den Militärs kontrolliert. Dreinreden kann ihnen niemand, ihr Einfluß ist auf lange Sicht gesichert

In Zentralamerika scheint die Demokratie ausgebrochen zu sein. Bei Gipfeltreffen und Staatsempfängen schütteln sich Herren im gedeckten Anzug jovial die Hand. Kein zackiges Gehabe mehr, keine bulligen Männer in Gala-Uniform mit dunkler Pilotenbrille und ordenbehängter Brust. Spätestens, seit im Dezember vergangenen Jahres in Guatemala der letzte Bürgerkrieg der Region beendet wurde, sind die Militärs ins zweite Glied zurückgetreten. Das Zentralamerika der neunziger Jahre präsentiert gewählte Zivilisten als Staatsmänner. Aber auch wenn die Generäle nicht mehr an vorderster Front stehen – wenn es sein muß, regieren sie noch immer mit. Erst im vergangenen September zum Beispiel. Da dachte der liberale honduranische Präsident Carlos Roberto Reina in einer Pressekonferenz darüber nach, daß man den vom Militär bestimmten Armeechef durch einen vom Präsidenten berufenen Verteidigungsminister ersetzen könnte. Die Soldaten machten schnell klar, wer im Staat das Sagen hat. Das sei nicht mehr als der Wunsch eines Präsidenten, erwiderte der Sprecher des Armeechefs, Coronel Mario Villanueva. „Die Figur des Verteidigungsministers wird es kurz- oder mittelfristig nicht geben.“ Das Militär bleibt autonom, ein eigener Staat im und über dem Staat. Punkt.

Die Autorität von General Mario Hung Pacheco, noch bis 1999 Armeechef in Honduras, gründet sich schon lange nicht mehr allein auf Waffen – wer in Honduras Geschäfte machen will, kommt an den Militärs nicht vorbei. Die Offiziere haben sich in drei Jahrzehnten das wohl größte Wirtschaftsimperium des Landes geschenkt. Das System war so einfach wie erfolgreich: Man nehme das Geld der Rentenkasse der Soldaten und investiere es in Geschäfte. Unliebsamer Konkurrenz kann man im Notfall ein bißchen drohen. Schließlich hat man auch noch Waffen.

Die Militärs der anderen zentralamerikanischen Länder waren beeindruckt. Egal, ob es sich um linke Sandinisten in Nicaragua oder um rechte Todesschwadroneure in Guatemala und El Salvador handelte – sie kopierten das honduranische Vorbild.

Das Geschäft der Generäle begann 1969. Nach dem sogenannten Fußballkrieg gegen El Salvador setzten die honduranischen Militärs im Parlament eine eigene Rentenkasse durch, aus der Gefallenen- und Invalidenrenten bezahlt werden sollten. Zwei Drittel der Beiträge für dieses Instituto de Previsión Militar (IPM) bezahlt der Staat, ein Drittel die dort versichterten Soldaten. Im Laufe der Jahre sammelte sich so eine ganze Menge Geld an.

Den Honduranern wurde das erst bewußt, als 1991 die staatliche Zementfabrik Incehsa privatisiert wurde. Der Wert des Werkes wurde auf 80 Millionen US-Dollar geschätzt. Die Militärs legten 22 Millionen auf den Tisch und bekamen den Zuschlag. Seither kontrollieren sie 50 Prozent des nationalen Zementmarktes.

Die Investition war mehr als rentabel. Noch im selben Jahr bestellte der Staat bei Incehsa Zement im Wert von mehr als 300 Millionen Dollar für öffentliche Bauvorhaben.

Die Zementfabrik war nur der Anfang. Heute kontrolliert das Instituto de Previsión Militar eine Bank, einen Versicherungskonzern und zwei Kreditanstalten. Dazu kommen Supermärkte, Hotels, landwirtschaftliche Großbetriebe, Werbeagenturen, eine Radiostation, ein Beerdigungsinstitut und ein privater Friedhof. Nebenbei verleiht die Armee Soldaten. So wurde der Verkehr auf Honduras' Straßen bis vor kurzem von Militärs überwacht.

Aber auch private Firmen können Soldaten als Wachmannschaften anheuern. Weil der Sold weiterhin aus der Staatskasse kommt, entstehen für die Armee bei solchen Geschäften keinerlei Kosten. Die zivile Konkurrenz kann da nicht mithalten.

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer von Honduras, Eduardo Facusse, spricht von „unlauterem Wettbewerb“. Ein Teil der Betriebskosten der soldatischen Firmen werde „indirekt vom honduranischen Volk bezahlt“. Und es ist nicht nur der Soldatensold, der die Kostenrechnung des militärisch-wirtschaftlichen Komplexes entlastet. Betriebe wie die Zementfabrik Incehsa sind von Zöllen und Steuern befreit. Mit solchen Wettbewerbsvorteilen läßt sich die Konkurrenz leicht aus dem Markt drängen. Wenn das nicht reicht, wird gedroht.

Der ehemalige Generalinspekteur der Streitkräfte, Eduardo Suarez, stellt die Rentenkasse inzwischen auf eine Stufe „mit den US- amerikanischen Bananenkonzernen“. Genaue Zahlen über Umsätze, Investitionen und Gewinne der Generäle sind nicht bekannt, und im Aufsichtsrat der Rentenkasse sitzen ausschließlich Uniformierte.

Auch Unternehmerverbände und Gewerkschaften wissen nichts. Nicht eine Firma des militärisch-wirtschaftlichen Komplexes ist Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Gewerkschaften sind in den Betrieben verboten. So kennt man eine einzige offizielle Zahl: René Fonseca, von 1991 bis 1995 Geschäftsführer des IPM, sagte im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Washington Post, sein Institut habe insgesamt 280 Millionen Dollar in 19 Firmen investiert.

Das Ende der Militärdiktaturen und Bürgerkriege war für die Generäle also alles andere als ein Verlustgeschäft. „In dem Maß, in dem die Militärs auf der einen Seite die Macht der Waffen verlieren, gewinnen sie auf der anderen Seite wirtschaftliche Macht“, sagt der Präsident des regierungsunabhängigen Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte in Honduras, Ramón Custodio López. „Und wer die wirtschaftliche Macht hat, hat auch die politische Macht.“