„Schuld eingestehen, ist ein leichtes“

■ Padre Juan Mendes, ein „Dissident“ in den Reihen der römischen Kirche, über das Verhältnis des heutigen Oberhirten der Katholiken zu Diktaturen

Der Bolivianer Juan Mendes (53) gehört zu den „Theologen der Befreiung“, die vom Vatikan in den achtziger Jahren mit Lehrverbot belegt wurden. In seinen Predigten hatte sich Mendes mit dem Antisemitismus in Südamerika und dem Einfluß dorthin entkommener Ex- Nazis auf die Stellung der Juden auseinandergesetzt.

taz: Johannes Paul II. will ein umfassendes „mea culpa“ aussprechen. Ist das ein Bruch mit dem bisher beobachteten Beharren auf die katholische Rechtgläubigkeit?

Mendes: Ein Bruch nicht. Karol Wojtyla hatte bereits zu Beginn seiner Amtszeit versucht, eine Reihe „verwandter“ Glaubensgemeinschaften für den Katholizismus zurückzugewinnen, so die orthodoxen Kirchen. Auch Versuche zur Annäherung an die evangelischen Kirchen hat es gegeben. Das „mea culpa“ verfolgt wohl andere Ziele, keine religiösen.

Welche zum Beispiel?

Die einer Generalbereinigung, ähnlich wie in der Beichte – man bekennt seine Sünden, erledigt die auferlegte Buße und kann dann aufs neue Konto sündigen.

Ist das nicht etwas einfach?

Sicher, aber in der Richtung stimmt es. Es ist ja nicht schwer, für Sünden um Vergebung zu bitten, die man selbst nicht begangen hat. Mit ihrem „mea culpa“ nimmt die Kirche all jenen den Wind aus den Segeln, die ihr weiterhin Vorwürfe machen. Und dann kann man den anderen, die ja sicher auch ihre Leichen im Keller haben, deren Verfehlungen vorrechnen.

Sehen Sie das nicht etwas negativ? Schließlch ist noch kein Vorgänger Wojtylas so weit gegangen.

Einverstanden. Nur, ich würde mich von alledem viel eher überzeugen lassen, wenn Johannes Paul II. bei der Gelegenheit auch seine eigenen Verfehlungen in Sachen Menschenrechte und Gerechtigkeit zugeben würde.

Als da wären?

Wir erinnern uns doch, wie er zu Beginn seines Pontifikats den damals in nahezu allen Ländern Lateinamerikas herrschenden Diktatoren die Hand geschüttelt hat und klagenden Geistlichen wie mir den grauenhaften Satz an den Kopf geworfen hat: „In Polen ist alles viel schlimmer.“

Ist das nicht ein unzureichender Vergleich – Holocaust mit Diktaturen?

Wieso? Tausende, die systematisch umgebracht wurden, wären noch am Leben, hätte sich der Pabst damals entschieden für die Wiederherstellung von Recht und Freiheit in Lateinamerika eingesetzt. Seinerzeit hieß es, man tue ja allerhand, aber eben im geheimen – großes Geschrei würde doch die Fronten nur verhärten. Das ist doch genau das, was diejenigen, die das Schweigen Papst Pius XII. in Sachen Holocaust rechtfertigen, auch geltend machen.