Nigers Wüstendiktatur ist auf Sand gebaut

Das Regime von General Baré in Niger duldet weder Kritik noch löst es die Probleme des bitterarmen Landes  ■ Aus Niamey Christine Nimaga

„Er hat das Messer, und er hat das Fleisch!“ Mit diesem Sprichwort aus der einheimischen Hausa- Sprache beschreibt der Pressesprecher der nigrischen Opposition den Führungsstil des Präsidenten, General Ibrahim Baré Mainassara. Gemeint ist: Wer Messer und Fleisch in der Hand hält, kontrolliert alle zum Überleben notwendigen Mittel, während die Gemeinschaft zu Bittstellern verkümmert.

Die jüngsten Verhaftungen und Verurteilungen sind in den Augen der Oppositionskoalition ein weiterer Beweis für die Demokratieunfähigkeit des Präsidenten: zwei Jahre Haft für Bürgerrechtler Bagnou Bonkoukou, drei Monate für Journalist Moussa Tchangari, Verhaftungen wie die des Oppositionspolitikers Ali Sabo.

Die Verhafteten sind keine Kriminellen. Sie haben ihre Meinung gesagt. Und das verstößt in Niger gegen das im Juli verabschiedete Pressegesetz, welches alle Äußerungen verbietet, die dem Ansehen des Präsidenten oder der Regierung schaden könnten. Innenminister Idi Omar Ango drohte kürzlich in einer Ansprache: „Wir werden nicht zögern, die Todesstrafe auf all die Personen anzuwenden, die unser Land lieber auseinanderbrechen sehen, als es aufzubauen.“

Für Opposition ist kein Platz in Barés Niger. Das Parlament besteht ganz aus Baré-treuen „Volksvertretern“, die Präfekte der acht Bundesstaaten wurden vom Regime ernannt, ein neuer Oberster Gerichtshof wurde mit handverlesenen Staatsdienern besetzt. Oppositionspolitiker und Journalisten werden vom Geheimdienst bespitzelt und regelmäßig zu „Unterhaltungen“ eingeladen.

Seit seinem Putsch Anfang 1996 ringt Baré darum, seine Macht zu festigen. Aber es scheint, als verlöre der Ex-General mit jedem Schachzug weiter an Boden. Auf Zustimmung aus dem Volk kann er schon lange nicht mehr zählen, denn die Leute haben nicht vergessen, daß der damalige Colonel sein Putsch-Versprechen gebrochen hat: „Nous sommes de passage“ – sie seien „auf Durchreise“ Richtung Demokratie. Gleich nach dem Putsch ließ der Colonel sich zum General befördern. Schließlich legte er die Uniform ab, um sich im Juli 1996 in einer höchst umstrittenen Wahl zum Staatspräsidenten krönen zu lassen.

Die politischen Parteien, die sich vor dem Putsch feindselig gegenüberstanden, sind nun in einer Koalition „Kräfte zur Wiederherstellung und zur Verteidigung der Demokratie“ (FRDD) zusammengefaßt: der von Baré gestürzte erste demokratisch gewählte Präsident Nigers, Mahamane Ousmane, mitsamt seinem ehemaligen Kabinett und den damaligen Oppositionsparteien. Vorzeigefiguren der Demokratie sind die aber kaum, denn als sie an der Macht waren, mußten sie sich dieselben Vorwürfe der Korruption und Vetternwirtschaft anhören, die sie jetzt so großzügig an Baré austeilen.

Viele Nigrer haben längst gemerkt, daß die 1993 eingeführte Mehrparteiendemokratie die Probleme des Landes nicht löste. Denn die Politik dieses Wüstenstaates wird außerhalb seiner Grenzen entschieden: Von militärischer Zusammenarbeit bis zur Budgethilfe und die an den französischen Franc gekoppelte Währung hat Frankreich seine Hand im Spiel. Als Paris in den 70er und 80er Jahren noch für gutes Geld das Uran aus dem Norden Nigers kaufte, ging es dem Land relativ gut. Heute ist der Uranpreis so tief gesunken, daß Niger stark von Entwicklungshilfe abhängt.

Deutschland hat Ende Oktober das volle Programm seiner Entwicklungshilfe für Niger wieder aufgenommen, das nach der katastrophalen Präsidentschaftswahl vom vergangenen Jahr teilweise eingefroren worden war. Allerdings soll jetzt weniger mit dem Regime als mit den Menschen zusammengearbeitet werden. So unterstützt Deutschland in Niger Projekte zur Familiengesundheit, dem Brunnenbau oder der angepaßten Landwirtschaft. Ein Regierungsberater wurde abgezogen.

Durch das Umgehen des Staatsapparates werden jedoch die Probleme des Landes auch nicht gelöst. Zumal die staatlichen Organe wieder zum Angriffsziel der erneut aufflammenden Tuareg-Rebellion geworden sind. Der Aufstand der Wüstenminderheit war eigentlich mit einem Friedensvertrag im April 1995 offiziell beendet worden. Aber das schleppende Tempo der Eingliederung der Ex-Rebellen in die Armee und die lahme öffentliche Verwaltung des Landes haben die Tuareg frustriert. Seit September wird in den östlichen Wüstenregionen wieder gekämpft. Und wegen der fortschreitenden Ausbreitung der Sahara-Wüste treiben immer mehr Nomaden ihre Herden aus der nördlichen Steppe in den dünnen Grüngürtel an der Südgrenze Nigers. Der Streit zwischen seßhaften Bauern und Nomaden um das Ackerland wird immer brutaler.

Staatschef Baré steht also vor denselben Problemen, mit denen schon seine Vorgänger nicht fertig geworden sind. Wenn die Ressourcen zu knapp werden, will jeder Messer und Fleisch für sich.