Labor der krabbelnden Meinungen

■ What is it, Uncle Bob?: Sieben Filme zur Schule des Experiments im Metropolis

„Who is the master, who makes the grass green?“Noch bevor die Stimme des Meisters sich zur Verständlichkeit durchgerungen hat, spitzt der portugiesische Animationsfilm von Edgar Pera die Feder. Profile, Diagramme oder einfach nur Wörter wie „blau“und „grün“. Eine eifrige Schattenhand zeichnet und wischt wie an einer Schultafel. Je nachdem, wo sich die Ausführungen des amerikanischen Schriftstellers R. A. Wilson über Reality Tunnels und die hoffnungslose Relativität unserer Wirklichkeiten gerade aufhalten. „Any reality is an opinion.“– „Jede Wirklichkeit ist eine Meinung.“

Auch das zweite der insgesamt sieben Filmexperimente, die das Metropolis unter dem fragenden Titel What is it, Uncle Bob? zum Thema „Science & Fiction“zeigt, steht für eine eher dezentrale Welt- und Filmsicht. Mehr noch, in Evil Surprise von François Miron krabbeln die Bilder wie wildgewordene Ameisen: Um diesen organischen Effekt zu erzeugen, werden alte wissenschaftliche Lehrfilme so lange farblich und musikalisch bearbeitet, gesplittert und übereinandergeschoben, bis jedes erkennbare Einzelbild in einer flimmernden Oberfläche verschwunden ist.

In Science Fiction (1959) läßt Stan VanDerBeek, der zu den absoluten Protagonisten des experimentellen Animationsfilms gehört, das Material der Printmedien in einen entlarvenden Bezug zur Wirklichkeit treten: Zeitungen verwandeln sich in Raketen und umgekehrt, Raketen lassen sich mit dem Sprengsatz der Pressephotos darstellen. Jeder Gegenstand, ob Dessertschale oder Madonnenikone, taugt zur Waffe.

Im krassen Gegensatz dazu beginnt Shooting Blanks von Mike Hoolboom vollkommen friedlich. Die Leinwand zeigt Schwarz, und das Ohr hört Bach. Dann die Stimme eines Erzählers, der mitten in seiner Versuchsanordnung auf das erste Bild des kanadischen Kinos wartet. Monster, Krieger und Pornografie. Was schließlich durchdringt, sind Fetzen industrialisierter Unterhaltung. Flackernd krachen und spritzen sie bis zum Abschuß.

Hin zum anderen, scheinbar sachlichen Pol der „Science & Fiction“. Dort sind es zwei Proben aus dem Fundus des „Instituts für den wissenschaftlichen Film“, die von der wunderbaren Chemie der Filmemulsionen erzählen. Sie liefern Grundlagenforschung zum Bild, die auch für Das dritte Fenster, den Animationsfilm von Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe, von Bedeutung ist. Hier allerdings wirft eine Trickfigur die Emulsion an die Wand und streicht die Zauberfläche glatt. Gelenkt durch interaktive Hyperlinks fällt der Blick aus dem Menüfenster: „find: the biological film“.

What is it, Uncle Bob? – für die experimentellen Undergroundfilme, die Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe anläßlich der Premerie ihres Films zusammengestellt haben, liefert diese Frage einen selbstironischen Kommentar. Denn was immer es auch sein mag, das der gute Onkel unter dem Mikroskop zu fassen kriegt, sein visuelles Experiment bleibt entscheidend. Für die Wirklichkeit der Kunst allemal.

Elisabeth Wagner

Metropolis, Sa, 21.15 Uhr