Die Wurzeln eines blutigen Krieges

Ob die Wurzeln des Nordirlandkonflikts 80 oder 800 Jahre zurückreichen, ist Ansichtssache. Seit der normannischen Invasion in Irland im 12. Jahrhundert kam es immer wieder zu Aufständen, die allesamt blutig niedergeschlagen wurden. Auch die letzte Rebellion zu Ostern 1916 scheiterte, doch die britische Regierung beging den Fehler, die Anführer hinrichten zu lassen.

Damit brachte das Vereinigte Königreich die Bevölkerung, die den Osteraufstand eher desinteressiert verfolgt hatte, gegen sich auf. Sinn Féin gewann bei den folgenden Wahlen die überwältigende Mehrheit der Stimmen und rief die Republik aus. Die britische Regierung antwortete, wie sie es seit Jahrhunderten getan hatte: mit Gewalt.

Diesmal hatte sie sich jedoch verkalkuliert, ein militärischer Sieg war aufgrund des breiten Widerstands außer Reichweite. So bot Premierminister David Lloyd George den Iren einen Freistaat an, sechs Grafschaften der Provinz Ulster im Nordosten sollten beim Königreich bleiben.

Das irische Parlament nahm den Teilungsvertrag an und löste damit einen zweijährigen Bürgerkrieg zwischen den ehemaligen Kampfgefährten der IRA aus, von denen die Mehrheit nun die Uniform der regulären irischen Armee trug. Am Ende unterlagen die Teilungsgegner, die Regierung des neuen Freistaats ließ nun ihrerseits viele der Überlebenden hinrichten. Die IRA war auf Jahrzehnte geschwächt und nur noch zu sporadischen Aktionen fähig.

Die Protestanten errichteten im Norden der Insel einen „protestantischen Staat für protestantische Menschen“, wie es einer ihrer Führer ausdrückte. Katholiken waren vom politischen und ökonomischen Leben ausgeschlossen. Sie waren bei der Wohnungs- und Jobvergabe stark benachteiligt, und weil bei Kommunalwahlen nur Hausbesitzer wahlberechtigt waren, hatten viele Katholiken keine Stimme, während protestantische Geschäftsleute mehrfach wählen durften. Insofern ging es nur vordergründig um den richtigen Glauben – vielmehr auch um arm und reich.

Vor diesem Hintergrund entstand Ende der sechziger Jahre die Bürgerrechtsbewegung, die mit friedlichen Mitteln demokratische Grundrechte einforderte. Die protestantische Provinzregierung schickte ihre Polizei, die mit protestantischen Banden zusammen die Bürgerrechtsdemonstrationen zusammenprügelte und ganze Straßenzüge in katholischen Vierteln in Schutt und Asche legte.

Die IRA existierte damals nur noch formell, an den Hauswänden tauchten Graffiti auf: „IRA = I ran away“ – Ich bin weggelaufen. Erst hinter den Barrikaden von Belfast und Derry, hinter denen sich die katholische Ghettobevölkerung verschanzt hatte, begann 1969 die Wiedergeburt der IRA.

Die Provinzregierung rief die britische Armee zu Hilfe, am 14. August 1969 trafen die Truppen in Nordirland ein. Seitdem sind weit über 3.000 Menschen in dem Konflikt umgekommen.

Literatur: Schulze-Marmeling, Jennerjahn, Schneider, Schumacher, Sotscheck – Nordirland. Geschichte, Landschaft, Kultur, Touren, Göttingen 1996, Verlag Die Werkstatt