Kohls Mercedes rettet Schewardnadse

Nach dem gescheiterten Attentat auf Georgiens Präsident Schewardnadse kursieren wilde Spekulationen. Abgeordnete und enge Vertraute des Staatspräsidenten vermuten die Drahtzieher des Anschlags in Moskau  ■ Von Barbara Kerneck

Nach dem schweren Attentat, das der georgische Präsident Eduard Schewardnadse am Montag unbeschadet überlebte, kam es gestern zum lebhaften Austausch von Sticheleien zwischen georgischen und russischen Politikern. Das offizielle Moskau gab sich gekränkt, weil Kreise in der georgischen Hauptstadt Tbilissi hinter dem Vorfall sofort eine „russische Spur“ vermuteten.

Zahlreichen Zeugenberichten zufolge trug das Attentat von Anfang an den Charakter eines militärischen Überfalls. Mit Granatwerfern eröffnete eine Gruppe von fünfzehn bis zwanzig Terroristen kurz nach 12 Uhr mittags das Feuer auf eine aus Schewardnadses Panzer-Mercedes und sieben anderen Wagen bestehende Kolonne. Alle Fahrzeuge wurden beschädigt. Als die Leibwache des georgischen Präsidenten das Feuer erwiderte, schossen die Attentäter mit Handfeuerwaffen zurück und warfen Granaten. Ein Leibwächter Schewardnadses starb auf der Stelle, drei weitere wurden verletzt. Auch einer der Attentäter kam ums Leben. Der Passagierraum von Schewardnadses Mercedes – ein Geschenk von Bundeskanzler Helmut Kohl – hielt den Kugeln stand.

Mamuka Georgadse, einer der Führer der parlamentarischen Opposition in Tbilissi, verlieh seiner Verwunderung darüber Ausdruck, daß „ein bis an die Zähne bewaffnetes Bataillon auf dem gewöhnlichen Dienstweg des Präsidenten ungestört einen Hinterhalt aufbauen konnte“. In der georgischen Hauptstadt ist man noch heute der Meinung, daß ein erstes Attentat auf Schewardnadse im August 1995 auf der Mitwirkung des damaligen georgischen Innenministers Igor Giorgadse beruhte. Dieser soll sich in Rußland versteckt halten.

Das georgische Parlament faßte gestern den Beschluß, die russischen Militärbasen auf dem Territorium des eigenen Staates mit Hilfe von Polizei- und Militärkräften abzuriegeln. Einige Deputierte äußerten die Vermutung, daß die hinter dem Attentat stehende Terroristengruppe von Rußland aus entsandt worden sei und am Abend nach der Tat Georgien vom Militärflughafen Vasiani aus mit einem „Spezialflugzeug“ verlassen habe.

Gennadi Selesnjow, Sprecher der russischen Duma, spielte den Ball unverzüglich zurück: „Erklärungen kann es da verschiedene geben“, sagte er, „aber bevor man sie draußen sucht, sollte man sich erst einmal in Georgien selbst umsehen.“ Auch der russische Innenminister Kulikow wies die „russische Spur“ mangels Beweisen weit von sich. Er verkündete allerdings stolz, Schewardnadses Sicherheitsdienste schon längst vor einem möglichen Attentat auf ihren Präsidenten gewarnt zu haben. Außerdem versäumte Kulikow nicht die Gelegenheit für einen Seitenhieb auf die Tschetschenen. Für deren Urheberschaft spricht seiner Ansicht nach diesmal „so manches“.

Der tote Attentäter trug einen russischen Paß auf den Familiennamen Dschangalijew bei sich, der ihn als dagestanischen Bürger tschetschenischer Herkunft auswies. Die Tatsache ist an sich merkwürdig, da Terroristen bei der Ausführung ihrer Taten selten Ausweise bei sich zu tragen pflegen. Nach Gerüchten aus den georgischen Sicherheitsdiensten wurde der Mann von hinten erschossen, möglicherweise von seinen eigenen Leuten.

Eduard Schewardnadse äußerte gestern die Vermutung, bei dem Anschlag könne es sich um eine Folge des Kampfes um die Trassenführung aserbaidschanischen Erdöls gen Westen handeln. Eine wichtige Pipeline soll durch Georgien führen. Einer der ersten Anrufe des georgischen Präsidenten nach dem Schock galt seinem aserbaidschanischen Kollegen Gaidar Alijew. Ansonsten gab sich der georgische Präsident philosophisch. Er rief zum verstärkten Kampf gegen den internationalen Terrorismus auf und fügt hinzu: „Gott sieht, daß ich meinem Volke ehrlich diene. Ich danke dem Schicksal, daß mich der Allmächtige nicht allein läßt.“